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pratchett ::: Troddel am Baldachin der Zeit

… bei den Philosophen. Copolymer erzählt die Geschichte des Tsortanischen Krieges. »… ein Pferd. Oder vielleicht ein Küken. Himmel, gleich vergesse ich meinen eigenen Namen! Der Soundso kam auf die Idee, der Hinker. Ich meine den Kerl, der dauernd hinkt. Mit den Beinen, um genau zu sein. … Soundsos Rüstung glänzte wie eine glänzende Rüstung … es ging ganz schön rund. Bei dem Kampf meine ich. Ja, es hätte nicht kämpfiger zugehen können.« → vgl. Stephensons Mars-Olymp-Bücher. All die vielen Namen und Beschreibungen von Rüstungen, über und über aufeinandergestapelt. Und dann erzählt es jemand mit schlechtem Gedächtnis nach. … Der Erzähler schläft schließlich ein, »Magie, sagte Xeno, reinste Magie. Jedes Wort eine Troddel am Baldachin der Zeit. … – mich erstaunt immer wieder dass er sich an alle Einzelheiten erinnert, murmelte Ibid.«

(Terry Pratchett, Pyramiden)

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pratchett ::: Rückkehr realerer Realität

»Irgendwann zerrte reine Erschöpfung Körper und Geist in eine Zone die an den Schlaf grenzte, und es dauerte nicht lange, bis seltsame Bilder ins Unterbewusstsein strichen. … [träumt von sieben fetten und sieben mageren Kühen, und von einem Mann der mit Pfeilen auf Schildkröten schießt ... sein Kumpel Schelter bringt ihn mit dem Schiff seines Vaters nach Hause, das den Weg in das Delta von Djelebeby verdächtig leicht findet, beschließt als Pharao regelmäßig Patrouillen in den Sumpf zu schicken] … plötzlich verharrte er im lehmbraunen Wasser. Er hatte alles gewusst. Er erinnerte sich an einen Arthur der von Möwen, Flüssen und Brotlaiben erzählte, aus denen grüne Halme wuchsen – als Teppic aus seinem tranceartigen Schlaf erwachte, zitterte das Gefühl in ihm, einen kostbaren Schatz verloren zu haben. Die überaus bedeutsamen Erkenntnisse eines realen Traums verflüchtigten sich mit der Rückkehr einer realeren Realität. Ja, er hatte alles gewusst. Doch als er sich daran zu entsinnen versuchte, tropften die Reminiszenzen aus seinem Kopf, wie Wasser aus einem lecken Eimer.«

(Terry Pratchett, Pyramiden)

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flašar ::: morsche Stille, erfüllt & leuchtend

»Wir trafen uns meistens am Abend. Er liebte die Dämmerung. Das Licht, sagte er, sei dann traurig und freudig zugleich. Es trauere um den Tag, der vergangen, es freue sich auf die Nacht, die angebrochen sei. …

… [er fängt an nicht mehr aus seinem Zimmer zu gehen, die Eltern abwechselnd besorgt, missmutig, verzweifelt, und je nachdem hatte ihr Klopfen einen grauen, schwarzen oder weißen Klang], es färbte die Stille die mich in sich eingesogen hatte und die der Stille eines dunklen Waldes glich. Man geht einen gewundenen Pfad entlang. Schwankende Baumkronen, die Sonne fällt schräg durch die Äste. In ihren Strahlen flirren Spinnweben, zarte Gebilde aus Traumfäden. Man denkt: wie still es hier ist. Und erkennt schon im nächsten Moment, dass man sich getäuscht hat. Die Stille des Waldes ist eine erfüllte Stille. Sie ist erfüllt von den Stimmen der Vögel, dem Knacken von morschen Holz. Die Käfer brummen. Ein müdes Blatt wirbelt herab. Wie ein Lied …

… ob ich noch schreibe? Undenkbar, es nicht zu tun. Gerade in der finstersten Nacht waren die Wörter leuchtende Kieselsteine. Das Licht des Mondes und der Sterne, sie hatten es eingefangen und strahlten es wieder aus. Ein Wort war darunter das besonders hell leuchtete. Das Wort von der Einfachheit. … ich möchte so schreiben, wie dieses Wort leuchtet. Über die einfachsten Dinge möchte ich schreiben. … bald bricht die Dämmerung herein. Der Tag rutscht mit der Sonne in die Nacht.«

(Milena Michiko Flašar, Ich nannte ihn Krawatte)

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thoreauvian ::: Geräusch aus größerer Nachdenklichkeit

»Kühle kondensiert den Tau und klärt die Luft. Die Stille erscheint tiefer und bedeutungsvoller. Jedes Geräusch scheint aus einer größeren Nachdenklichkeit in der Natur zu kommen, als hätte sie Charakter und Geist gewonnen.« Grille, Gewässer, rauschender Wind, in Bäumen, er empfindet unbändige Freude dabei. Goldzeisig, zieht zwitschernd durch den düsteren Tag. »…könnte ich nur so leben dass es keinen oberflächlichen Augenblick in meinem ganzen Leben gibt!» Malt es sich in vielen Beispielen aus. »… habe ich die Gelegenheit für die Lebensflut dankbar zu sein, die mich überströmt.» Herbstblumen, darunter eine, die ein blassblauer Lippenblütler ist, Trichostema dichotomum, über dem Sand, mit einem starken wermutartigen Duft der zur Jahreszeit gehört. Taubenflügelflattern. Dankt Gott, nichts von allem hat er verdient, und doch wird er erfreut, alles wird zu seinem Entzücken vergoldet und Festtage bereitet. »Es scheint mir, dass ich eher für meine Erwartungen belohnt werde, als für irgendetwas das ich tue.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch III)

Wer bereit dafür ist sich an der Natur zu erfreuen, wird sich freuen. So einfach.

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thoreauvian ::: gedanken legen

»Solche ausgesuchten Erfahrungen niederschreiben, dass meine eigenen Schriften mich inspirieren können und ich schließlich aus Teilen Ganzheiten machen kann. … Gefühle und Gedanken, die alle Menschen mehr oder weniger haben, dem Vergessen zu entreißen und festzuhalten. Möge die Betrachtung des unfertigen Bildes seine harmonische Vollendung anregen. … Jeder Gedanke der begrüßt und aufgezeichnet wird, ist ein Nestei, neben den weitere Eier gelegt werden. Zufällig zusammengewürfelte Gedanken werden zu einem Rahmen, in dem es möglich ist, mehr zu entwickeln und zu zeigen. Vielleicht besteht der Wert der Gewohnheit des Schreibens, des Tagebuchschreibens, hauptsächlich darin – dass wir uns an unsere besten Stunden erinnern … meine Gedanken sind meine Gesellschaft. Sie haben eine gewisse Individualität und Besonderheit, ja, Persönlichkeit. Nachdem ich ein paar zusammenhängende Gedanken zufällig aufgezeichnet und nebeneinandergestellt habe, legen sie ein vollständiges neues Feld möglichen Arbeitens und Denkens nahe. Gedanke zeugte Gedanken.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

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thoreauvian ::: mehr nachdenklichkeit denken

17. August 1851. Ein paar kühlere Tage. Bemerkt dass die Kühle das Denken konzentrierte. Was zu drei Seiten ohne Absatz führt. Wünscht sich mehr Nachdenklichkeit, denkt sie tut ihm gut. »Warum sollte Nachdenklichkeit mit Traurigkeit verwandt sein? Es gibt eine gewisse fruchtbare Traurigkeit die ich nicht meiden sondern eher ernsthaft suchen möchte. Sie ist entschieden freudvoll für mich. Sie bewahrt mein Leben davor trivial zu sein. Mein Leben fließt in tieferer Strömung und nicht mehr als flacher murmelnder Fluss, der durch die Sommerhitze ausgetrocknet und eingeschrumpft ist.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch III)

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thoreauvian ::: im richtigen Augenblick nach draußen

Hochgelegene Weiden, Gras so trocken wie Heu. »Der Umlauf der Jahreszeiten stockt keinen Augenblick lang und daher verweilt die Natur auch nicht länger auf ihrem Höhepunkt als auf irgendeinem anderen Punkt. Wenn man nicht im richtigen Augenblick nach draußen geht, kann der Sommer vorbeiziehen, ohne dass man ihn gesehen hat.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch III)

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thoreauvian ::: Sommermemento

14. Januar 1852 – »Ich mag es, jetzt einen Haufen dunkel-rötlichen Wiesenheus anzuschauen, voll Farn und anderer Wiesenpflanzen der gröbsten Sorte. Meine Einbildungskraft sorgt für das Grün und Wiesensummen. Welch ein Sommermemento ist solch ein Heuhaufen! Im Winter neben einem mit Schnee bedeckten Heuhaufen stehen, durch den die trocknen Wiesenpflanzen hervorlugen! Und doch überleben unsere Hoffnungen.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

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le guin ::: normal denkend fliegen können

wieso wurde auf Winter nie ein Flugzeug erfunden? »Wie soll ein normal denkender Mensch je darauf kommen, dass er fliegen kann, erwidert Estraven streng.« Genly sieht es ein, auf der Welt Winter gibt es kein Lebewesen das Flügel hat.

(Ursula K. le Guin, Linke Hand der Dunkelheit)

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le guin ::: Ausmörteln zu Ende bringen

… das Musikinstrument Gossiwor wird nur in der Gegenwart des Königs gespielt. Trauriges Gebrüll. »Vierzig von Ihnen, zusammen gespielt, erschüttern den Verstand jedes Zuhörenden, erschüttern die Haustürme von Erhenrang, schütteln die letzten Regentropfen aus den windgetriebenen Wolken. Wenn dies die königliche Musik sein soll, dann ist es kein Wunder, wenn alle Könige von Karhide wahnsinnig sind.« Zeremonie, der König fügt einen Schlussstein auf einer Brücke ein. Und macht es ordentlich. »In Karhide darf man nicht ungeduldig sein. Die Menschen hier sind zwar alles andere als phlegmatisch, aber sie sind hartnäckig, sie sind ausdauernd, sie bringen das Ausmörteln von Steinfugen zu Ende. … Noch während ich dies denke, verdunkeln die Wolken die Sonne, und kurz darauf zieht ein dünner, aber harter Regenschauer den Fluss herauf, durchnässt die Menschen auf der Uferstraße und trübt den Himmel … dann schließen sich die Wolken endgültig … der Fluss färbt sich bleigrau …«

(Ursula K. le Guin, Linke Hand der Dunkelheit)

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woolf ::: farbe fließt zurück

Jakob liest, »das Buch auf den Boden legend, begann er, wie inspiriert von dem was er gelesen hatte, Notizen zu machen … Geschreibsel auf denen ein Lebenswerk fußen kann; oder auch, es fällt zwanzig Jahre später aus einem Buch, und man kann sich an kein Wort davon erinnern.« … Sommerzeit. Höhepunkt der Saison. Mit elektrischem Licht übersäte Platanen. »… und Vorhänge die das Zimmer noch vor dem Morgengrauen bewahren. Menschen murmeln noch einmal das letzte im Treppenhaus gesprochene Wort vor sich hin, oder lauschen angestrengt durch ihre Träume hindurch auf die Stimme des Weckers.« Draußen Insekten, und eine Spinne eilt rasch eine Kerbe in der Rinde empor. … vergleicht die Netzwerke der Natur mit denen der Stadt …

»aber die Farbe kehrt zurück; fließt die Stengel des Grases hoch; bricht in Tulpen und Krokusse aus; überzieht die Baumstämme mit Streifen; und erfüllt das zarte Gewebe der Luft und die Gräser und Tümpel.«

»… trug sie die verzückte Miene jemandes, der an einem Sommernachmittag durch Menschengewimmel streift, wenn die Bäume rauschen, die Räder gelb schwirren und der Tumult der Gegenwart wie eine Elegie auf vergangene Jugend und vergangene Sommer scheint, und in ihrem Gemüt mache sich eine seltsame Traurigkeit breit, als zeigten sich Zeit und Ewigkeit durch Röcke und Westen, und sie sah Menschen tragisch in ihr Verderben rennen.«

(Virginia Woolf, Jakobs Zimmer)

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thoreauvian ::: schmetterlinge im kopf

»Der Vormittag ist lichtvoller.« Schmetterlinge auf Blüten selbst wie Blüten. Sehnt sich nach verschlängelten Straßen die von den Städten wegführen, »wo man vergißt in welchem Land man unterwegs ist … wo mein Geist frei ist … wo dein Kopf mehr im Himmel ist als deine Füße auf dem Boden sind … Wanderer [die] weiterziehen und dich deinen Gedanken überlassen … wo du ohne die geringste Behinderung gehen und denken kannst, da es nichts gibt, an dem das Fortschreiten zu messen ist …« usw. usf. beschreibt in variationsreichen Details Orte an denen sich seine Gedanken ausdehnen, oft sind es spezielle Orte, versucht herauszufinden, welcher Einfluss aus ihnen diese Orte ausmacht. Ein Wegweiser ist umgefallen und zeigt zu einem Sudbury in den Wolken, bedeutsam. »dort kann ich gehen und das verlorene Kind das ich bin zurückgewinnen …«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch III)

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seethaler ::: so schön getorkelt

»… ich wäre gerne über die Felder gezischt wie die Schwalben. Oder wenigstens über die Felder getorkelt wie die Schmetterlinge. … Das ist so schön, da möchte man fast an Gott glauben. Aber das bringt einen auch nicht weiter. Die Schönheit der Schmetterlinge braucht keinen Gott. Es gibt sie ja wirklich.«

… sieht nachts ihr Kind an. »Ich weiß nicht warum sich alles was ich in Ruhe tue, immer wie Abschied anfühlt.«

(Robert Seethaler, Annelie Lorbeer in: das Feld)

→ weil man das ganze Leben irgendwie Abschied nimmt? Sich vom Leben verabschiedet indem man es in Vollkommenheit auslebt?

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montaigne ::: in uns selber doppelt

Notiz zu den Anmerkungen »… gewissermaßen in uns selber doppelt …«

(Sarah Bakewell, Wie soll ich leben? – oder das Leben Montaignes
in einer Frage und zwanzig Antworten)

… bspw. Körper & Bewusstsein, das Sein & das auf das Sein (aufmerksam) gewordene Sein.

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montaigne ::: gleichbleibend

»Ich bleibe fast immer in derselben Verfassung, wie es für schwere und träge Körper kennzeichnend ist.«

(Sarah Bakewell, Wie soll ich leben? – oder das Leben Montaignes
in einer Frage und zwanzig Antworten)

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