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Her Name is Calla | 25.10.15 | Nato

von Las Vegas . Nato . Rock’n'Roll …

Soeben noch mit Billy in Las Vegas und nun in der Nato während Rock’n'Roll unbeschwert aus den Boxen rieselt. Die Schilderung des fortlebend Vergangenen der Stadt im Buch setzt die Revue der mit der Nato verknüpften Konzerterinnerungen die bei Xiu Xiu begonnen hat von Neuem in Gang. Über allem, da auch der hinten hoch oben sitzende Blickwinkel der Sicht von damals so gleicht, das Konzert von Logh. Dieses so sonderbare Konzert bei dem jedes Lied auf eine Weise in das Nächste überglitt, dass niemand im Raum das Herz hatte durch Klatschen die konzertierte Stille zu durchbrechen. Doch etwas beklommen hat es sich angefühlt. Im selben Kontinuum stehen Jeniferever auf der Bühne, die ohnehin damals viel zu groß wirkte, als wäre die Übereinanderblendung von vornherein eingeplant gewesen, quetschen sie sich und ihre Instrumente zwischen Logh und deren Instrumente. Direkt daneben springen Menschen kreisformend wild berauscht mit Firewater um die Bühne. Und in der Ferne dahinter der Anbeginn, buntest funkelnde Lichterketten, so weit, nur verschwommen zu sehen, so dass sie dem Glutschein von flüssigem Eruptivgestein gleichen, ein plüschiger Gruß aus der Zeit, die Rockys.

Etwas benommen kehren die vom längsten Tag des Jahres der Müdigkeit besonders zugetanen Sinne wieder zurück und schnappen in dem Moment wieder in den Körper ein als sich auf der inzwischen von der Band eingenommenen Bühne an der E-Gitarre links ein sattes, durchdringend kreischendes Störgeräusch entzündet. Es ist nicht offenbar ob ungeplant oder integraler Bestandteil des Stückes, doch es wird ohne einen Wimpernschlag souverän in die tosend wilde Schönheit des ersten Liedes übergesetzt. Alles ist wieder wach.

… in die große Weite der Welt

Die Stimme des Sängers ist von der Art die den Zuhörer unmittelbar auf eine Anhöhe versetzt, rundum weite Steppen, Natur von atemberaubend wilder Schönheit über die die Stimme hinweggleitet, und sie ist untermalt vom begeistert krachvollem und ungestümen Einsatz der Instrumente, Gitarre, Bass, Violine und Schlagzeug, im Wechsel e-Piano und Banjo. Musik im landscape-Format. Mit der Stimme gleitet man mit über die vielschichtige Schönheit der Landschaft und des Seins, die laut durcheinanderwirbelnde Lebendigkeit sowie die scheinbar leere Weite einer symbolistisch gemalten Landschaft der Seele sind vereint … es ist Musik für die große Weite der Welt.

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Botanisieren ::: Apothekergarten

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Pianos Become The Teeth & Milk Teeth | 8.10.15 | 4 Rooms

Das Rauschen der Gezeiten wurde mir ins Ohr gesetzt.

I took the boat out on the lake, and I was okay,
need to get that feeling back, once in a lifetime, ripple water shine

but it’s a size I can’t teach

(ripple water shine)

Treffe mich bei ausgezeichnetem Konzertpilgerwetter mit dem pendelnden Kollegen A. an der Zentralstation. Der Regen ist von allerfeinster Nieselqualität. Das ausgeprochen humide Klima mag die Sound-Heimsuchung von der der Kollege aktuell befallen ist noch verstärken. Das rauschanschwellende Anbranden und wieder über den Sand fließende Zurückgleiten der Wellen des Nachtstrandes Nojas breitet sich wie eine Art beruhigender Tinitus durch seine Tage aus. Die Heimsuchung ist gelinde ansteckend. Wann immer sie im Gespräch Erwähnung findet, bauscht und schwappt es auch in meinen Ohren. Als begleitenden Unterton einen ganzen Ozean in unseren ohnehin größtenteils mit Wasser gefüllten Säcken, die wir Körper nennen, tragend, begeben wir uns also zum Konzert.

Die Vorband Milk Teeth ist live mehr Postrock und hardcore-Schrei als die Songs auf bandcamp vermuten ließen. Das erste Lied dort weckt immerzu die Erinnerung an das frühlingshaft leicht springende Punkgefühl von Dover. Das mag zum Teil an der stark verwaschenen Akustik des Raums liegen, in der die leitenden Melodien nur schwer herauszuhören sind. Die im Gegenzug aber, wie im nachhinein übereinstimmend festgestellt wird, das ebenfalls sehr zufriedenstellende Gefühl eines dreckig unperfekten Garagenkonzerts hinterläßt, dass auch durch andere räumliche Begebenheiten, zum Beispiel dass sich die Band auf gleicher Fußbodenhöhe wie das Publikum befindet, verstärkt wird. Manch einer würde ihr obgleich einen etwas erhabeneren Ort im Raum wünschen.

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Botanisieren ::: mml. ruderaler Feuerahorn …

… genießt neugewonnene Aussicht und herbstliches Abendlicht.

Bis weiterer Wuchs mehr Klarheit bringen mag, habe ich beschlossen von allen Bestimmungsmöglichkeiten des während der Expedition Leuschner & Laue zugelaufenen kleinen Zöglings die Unwahrscheinlichste zu wählen, und zwar die des in Mittel-, Nord-China, Mandschurei und Japan heimischen Feuer-Ahorns (Acer tataricum subsp. ginnala), auch wenn, auch wenn!, die nachgewachsenen Blätter mitnichten mehr diese zauberhafte Rostrottönung aufweisen.

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PGI | ein Zitat über das Sammeln

»Gesammelt haben Menschen schon immer. Ist es ein Relikt aus unserer Zeit als Jäger und Sammler? Das Bedürfnis Ordnung ins Chaos zu bringen? Oder schlicht der Wunsch, etwas zu haben und zu behalten? Für manche schrieb der Evolutionstheoretiker Stephen Jay Gould, ›ist die Sammelleidenschaft eine Ganztagsbeschäftigung, eine Art seliger Wahn‹.«

(Jeremy Berlin in NG 2014 01, Neues Wissen aus alten Vitrinen)

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Xiu Xiu plays the music of Twin Peaks | 1.10.15 | Die Nato

… the gum you like is coming back in style …

Twin Peaks naht. Es nähert sich durch das Wiedererblühen der heimischen Orchidee Phalaenopsis, durch das nächtliche Ambiente unserer Unterbringung in Mataelpino, voller Nadelbäume, die Gebäude scheinen alle aus demselben Holz wie das Real Great Northern Hotel, der Ortseingang wird von einem beeindruckenden Ortsschriftmonument geziert, und die Nacht hat diese besondere Konsistenz aus der die Log-Lady spricht und der Ruf einer Eule im Ohr wiederhallt. Es nähert sich durch die imposante Norfolktanne in Noja, die vor einem renovierungsgerüsteten kleinen Palacio steht. Und es nähert sich durch Xiu Xiu plays the music of Twin Peaks. Die dritte Staffel rückt nah.

Die Treppe. Der Deckenventilator.

Minutenlang gibt es nichts als das auf der Leinwand, und ein beinahe unter der auditiven Wahrnehmung liegendes dumpfes, fächerndes, waberndes Geräusch. Dann betreten Xiu Xiu die Bühne, ein metallischelektronischer Herzschlag wird an einem Gerät eingestellt und schließlich vom wunderbar klaren hellen Klang des Vibraphons, den klassischen Tönen der meist so sanft wie der Hauch des Namens Angelo Badalamenti gedrückten Tasten des Pianos, nicht näher identifizierten Störgeräuschfetzen, wuchtigen und distinkten Schlagzeugeinsätzen und dem ewig jung klingenden 50er-Sound der Gitarre umringt.

Das Set ist so variationsreich und dabei so durchdringend wie die Atmosphäre und Charaktere von Twin Peaks. Augenblicke die beinahe still zu stehen scheinen wechseln mit von einer wie entfesselt wirkenden Band dargebotenem hochflirrendem und kreischenden Hard Core, vermischen sich mit mal sacht schwebender und dann imposant donnernder Klassik am Piano, Blues und Jazz mit das Innere nervös verzerrenden, aus tiefer Kehle mystisch wabernden Gesangsdarbietungen von Jamie Stewart. Das alles ist durchsetzt von … in einem dunkel im Wald liegenden Eisenbahnwagon … geschmiedeten Geräuschsequenzen, und plötzlich scheppernd gewittrigen Schlägen auf die allen drei Xiu Xiu-Mitgliedern immer bereitstehenden High-Hats, dazwischen Phasen der Stille, der leise beruhigende doch unheilverkündende brummende Ton beim Blick in die Wälder.

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PGI | Communiqué an Instituts-Leitung | bedeutender wissenschaftsgeschichtlicher & literarischer Fund

Herr Kollege!

ich bin auf einen bedeutenden wissenschaftsgeschichtlichen Fund gestoßen. Die Schrift Gedanken zur Tektonik Spaniens von Rudolf Staub (Als Manuskript eingegangen am 4. August 1926). Ich bedauere zutiefst dass unsere Sprache der Wissenschaft im Verlauf der letzten hundert Jahre so gewaltig an Ausdruckskraft verloren hat, wie es am zauberhaft malerischen Sprachgebrauch Staubs nur allzu deutlich wie schmerzlich offenbar wird.

Welch gewaltigen Reigen Rudolf Staub auf der Bühne Spaniens zur Inszenierung bringt. Vor allem das Bild von Gebirgszügen die freudig in den Ozean hineinziehen scheint ihn sehr gefesselt zu haben, es wird auf beinahe jeder Seite in neuen kräftigen Farbnuancen der Sprache zu Papier gebracht; Gebirge scheinen ihm ähnlich fidel und mobil wie uns die Zugvögel, nur allzu verständlich, benötigen sie doch nur den Wimpernschlag von wenigen hundert Millionen Jahren für ihre kurzweiligen Wanderungen.

Die Schrift kann auf der Website der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich
eingesehen werden: Gedanken zur Tektonik Spaniens

Sie beginnt mit den ergreifenden Worten:

Kein anderes Land Europas enthüllt dem Geologen einen solch unerschöpflichen Reichtum des Baues, eine derart wechselvolle Struktur, wie die iberische Halbinsel Spaniens und Portugals. Als wollte sich das mediterrane Gebirgssystem vor seinem Niedersinken in den Ozean noch einmal zu seiner ganzen fundamentalen Grösse erheben, raffen sich im Meridian von Spanien und Marokko die alpinen Elemente Eurasiens noch einmal enger zusammen und erreichen in hohen Ketten das Meer.

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PGI Expeditionsbericht & Trivialnotizen | España del Norte | 18. bis 28. September

Keine Postkarten! Keine Bilder.

Vorbemerkungen & Nebenbedingungen

Höchsterfreut und mit hochgeehrtem Gefühl, wenn auch nicht vollkommen ohne Nebengedanken – wie sie in einem freizt.-wissenschaftl. ausgerichtetem Team bei der Aussicht sich in einen fernen Landstrich zu begeben nicht ausbleiben können — folgten die Mitglieder des PGI der Einladung des Don Martín und seiner Miss Pili um auf ihrem eigens zu diesem Zweck gemietetem Anwesen Finca Almantigua im nördlich von Madrid gelegenen Mataelpino ein berauschendes Fest de la boda zu begehen.

Die anschließende Expedition al Norte ist abschließend betrachtet als ausnehmend erfolgreich zu bezeichnen. Nicht nur der Verlauf der Expedition war voll aufregender Entdeckungen. Jeder der Teilnehmer hat weiterhin vielfältige Anregungen für weitere Forschungsthemen zurück in das Institut genommen.

Die Spannung gipfelte für die Berichterstattende persönlich in einem Ereignis nach der Rückkehr in das traute PGI Wald, das für die gesamte Expedition rückwirkende, dokumentarische aber auch psychoemotionale Konsequenzen von noch nicht ganz erfassbarem Ausmaß hat. Dem Datenverlust sämtlichen Bild- und Filmmaterials durch einen Hardwarefehler der externen Festplatte.

Die Untersuchung des Umgangs mit diesem — für jemanden der sich in substanzloser Abhängigkeit zum Medium Photographie befindet — katastrophalen Ereignis an eigener Person erfüllt mich mit aussichtsreicher Vorfreude. Gibt es schon seit langem in meinem Kopf die Galerie der verpassten Bilder, derjenigen, bei denen man nicht im rechten Moment bereit war, auf den Auslöser zu drücken, so ist diese nun zigtausendfach durch die verlorenen Bilder bereichert, die zwar mit nie erlahmendem Eifer festgehalten wurden, nun aber so unwiederbringlich verschwunden sind, wie alles was auf der Leinwand des Sandes durch den Wechsel von Flut und Ebbe hinweggewischt wird. Nur in der eigenen Erinnerung leuchten sie noch in strahlendem Pixelglanz.*

Als weitere zu berücksichtigende Variable für den Forschungsaufenthalt an der spanischen Nordküste ist zu nennen, dass das Langzeitexperiment T.H.E.O.prac (Theoretical investigations in Homo sapiens Evolutionary processes based on an Own child Practical background) beträchtliche Ressourcen, vor allem bei den als Papá?! und Mamá! bezeichneten PGI-Mitarbeitern, erforderte. Doch dies liegt schließlich in der Natur von Langzeitexperimenten und war von vornherein eingeplant. Zudem ergaben sich interessante Querverbindungen des Langzeitexperiments mit den Begebenheiten vor Ort.

Der Aufenthalt stand weiterhin unter dem die Ortswahrnehmung und Neugier beflügelnden Einfluss des eigens für die Reise erworbenen Buches »Die seltsamsten Orte der Welt« von Alastair Bonnet, in dem der Autor sich aus einem psychosozial-geographischen, oft auch philosophischen Blickwinkel den kuriosesten Orten unseres Planeten widmet. Schon das erste Kapitel »Verlorengegangene Orte« scheint wie ein tröstender Spiegel zu den verlorengegangenen Bildern. Fängt der Autor den Zauber der wundersamsten Orte der Erde wie durch ein Vergrößerungsglas durch seine Sichtweise auf sie und seine Beschreibungen ein, so will auch eine jede Photographie den Zauber eines Ortes und eines Moments einfangen, um sie aus dem vergehendem Fluss der Zeit zu bewahren. Diesem Vorgang liegt etwas Magisches inne.

* man beachte hierzu die Wortherleitung in der Wikipedia: aus altgriechisch φῶς phōs, im Genitiv: φωτός photós, »Licht« und γράφειν graphein »schreiben, malen«, also »malen mit Licht«

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