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thoreauvian ::: kritik des nebels

Tautröpfchen wie Edelsteine auf einer Asclepias, Boden beschwerende Riesenpilze müssen eine Bedeutung haben, Nebel »… bildet nicht solche vollkommene Meere wie früher … zu allgemein verbreitet und umherschweifend.« … tauiger Spinnenwegmorgen.

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

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Birds in Row ::: Caspian ::: Cult of Luna | 15.10.22 | Felsenkeller

Finden uns pünktlich am Einlass ein, und blockieren mit vielen anderen den Bürgersteig. Unpünktlich werden wir eingelassen. Laden loben. Ambiente und Sound sehr angenehm. Der Saal noch relativ leer wirkt angenehm geräumig, – die Bühne im Gegensatz dazu sehr überfrachtet zugestellt –, wird sich bis zu den Konzerten gut füllen ohne dass es erdrückend ist. Nach der ersten Band, die sehr begeisterte, finden N. und L. sich ebenso begeistert bei uns ein …

Birds in Row. Wir nutzen die Geräumigkeit des Saals um den zeitigen Beginn, der später zu überschüttender Dankbarkeit seitens Band gegenüber allen die so früh zugegen waren führen wird, sitzend zu erwarten. Mit den ersten aufgeladenen Klängen und sich vor uns füllendem Raum gelingt es uns noch eine Weile zu widerstehen, doch dann zieht es uns auf die Beine. Vollkommen unvorbereitet habe ich zwei Vorbands aus dem selben Klangraum von Cult of Luna erwartet, und so dauert es einen kurzen Moment des Rekalibrierens bis das Gefühl von La Dispute in meinen Erlebniskosmos flirrt, seltsam unterwandert von einem Jenifer Ever-Gefühl das aus dem träumenden Paraventsound der Gitarre mäandern mag. Je mehr Töne fallen, herausgeschrien, skandiert und von sehr preschenden Drums getrieben werden, überschlagen sich die neural entstehenden Verknüpfungen. Einzelne Klänge schießen quer, abrupte Liedwechsel mitten im Song, nicht zusammenpassende Versatzstücke die auf wundersame Weise doch eine Einheit bilden, ineinander aufgehen, White Wine, das harmonische duale Zusammenschreien zweier Gesangsstimmen, Bad Religion, Gesang durch Scream gewandelt. Post-Screamo-Core. Lichtchoreo schon beeindruckend und schön. Dazwischen Geplauder mit dem Publikum, lange konzertlose Zeit, Freude, Friedensbotschaft. So kurzweilig wie belebend, und das Gefühl hier gibt es im wieder und wieder hören noch sehr viel kompositorische Miniaturen, in die man Eintauchen möchte, mit vor Staunen offenen Augen, und Endorphinen in den Ohren.

Caspian. Sehr solide schön in ihnen zu seiende neunzehn Saiten hohe Gitarrenwälle, die Bühne dazu in Nebel und Leuchten gehüllt, das meist nur Schemen der Band erahnen lässt. Es wird sich ordentlich in die Saiten gelegt, was sehr stimmig zu der archaisch opulenten Note passt, Burgen und Belagerungs-Epen scheinen im Geist auf, wobei einzelne Stücke etwas fröhlich südländisches beschwingt und leichtes zu transportieren scheinen. Die Stücke überwiegend kontinuierlich auf gleich lauter Hörschwelle. Die Vorband wird ausnehmend gelobt, und das gestern erschienene Album als das beste des Jahres angepriesen. Außerdem Botschaften von nett sein und in hoffnungsarmen Zeiten an der Hoffnung festhalten.

Cult of Luna. Noch mehr Nebel. Mehr Bühnennebel war nie. Das was von der Bühne zu sehen bleibt ist meist in silbrig in Strahlen aufgefächertes Licht getaucht, man könnte fast sagen, wie in einem etwas irren Mondschein. Im Nebel sind Schemen wahrzunehmen, und Instrumente bis an den Horizont. Eine Stimme brummt beruhigend tief, um sie herum ist alles voll Klang, Saiten, Schillern, Bass, alles durchsetzt von alles durchdringendem Metallschlag, der in alle Glieder geht, Tasten, elektronische Töne fächern durch alles hindurch; sehr viel Getrommel. Dazwischen Momente in denen es sehr leise und einzeln plingend wird. Irgendwann nach den ersten Stücken lichtet sich der Nebel kurzzeitig so weit dass ein zweites Schlagzeug ausgemacht werden kann, doch es wird bis zum Ende der Show dauern bis sicher festgestellt werden kann, ob dieses kontinuierlich, oder nur bisweilen vom einen Saitenmann bespielt wird. Kontinuierlich. – Durch den Nebel und das lunare Leuchten wirken die Silhouetten wie durch ferne Zeiten treibend und von dort zu uns sendend. Noch ein Adjektiv? Erhaben. An Offering to the Wild.

Bereits der Einstieg in großem Glück, das erste Stück der neuen Platte, das mehrmalige dumpfe und satte Signal… wie heißt das nur bei Schiffen und Eisenbahnen? Abfahrtshupen? Abfahrtsdröhnen; man fühlt sich – vollkommen videobeeinflusst – wie der fidele Felsen der durch ein Klangbad treibt, hie und da zu kurzen Schlenkern gezwungen, weiten Kurven, und Start und Ziellinie immer vor Augen.

Der Sänger gestikuliert und zeigt gerne gen Publikum, – eine zeremonielle Praxis, deren Wirkungsziel sich der Beobachtenden nicht in Gänze entschlüsselt. Zu einem besonderen Moment klettert er von der Bühne und lässt sich dann von, wie ihr später mitgeteilt wird, nicht extra mitreisenden Trägern, sondern von Securitymannen auf dem Absperrgitter stabilisieren um dort eine Weile zu spielen. Er ist dadurch etwa einen Meter näher am Publikum, und auf weiterhin auf Bühnenhöhe. Bestimmt ist es von subtiler Bedeutung. Eindrücke von römischen Sänftenträgern manifestieren.

Das Licht. In einem Stück mit einzeln sehr abgehakten herausjagenden Tönen in Wiederholung flammt das Licht erst grün, dann weiß, dann in Nichts auf. Ungeheure desorientierende ins Dunkel fallende Erfahrung. Das Sehen hört auf.

Verabschiedungsrede nicht verstanden, Sprachverarbeitung des Gehörs scheint doch von der Lautstärke etwas beeinträchtigt. Konzertbegleitung umfasst das Konzertsein als »vollkommen absorbiert«. Nach mehreren stehenden Stunden Spaziergang nach Hause bei sehr mildem Wetter durch eine sehr lebendige Stadt. Bemerkenswerter Abend mit drei Bands die alle gut bis überragend waren. Soundbad in umringender Lautstärke in der doch alles sehr fein ausdifferenziert herauszuhören ist. Sehr hörsatt. Aus dem Palmengarten dringt noch Musik.

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thoreauvian ::: niedrige nebelvision

Abenddämmerung. Fische springen. Kupfriges Glühwürmchenlicht. Spiegelungen im Wasser. »Es herrscht ein niedriger Nebel der den Fluss leicht verbreitert, und durch den die Bögen der gerade noch sichtbaren Steinbrücke wie eine Vision erscheinen. Der Nebel ist auf ganz absonderliche Weise eingegrenzt, hier mal geballt, während es dort keinen gibt …«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

vgl. mondsichtig, 2018

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Fotorunde ::: Steintäler Oct 22

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All them Witches | UT Connewitz | 27.10.22

Lange an-Tram durch bereits nachtdunkle Welt, erfreulich bald abgelöst durch das Ansetzen der langen Atmosphäre, Gitarrenklänge und Elektronik ohne Gesang, wie durch mehrere lange Erden hindurch. Begeben uns vor zur Bühne und finden ein lauschiges Plätzchen zum langen Stehen, bis All them Witches beginnen. Zur großen Freude die zweietagigen Tasten zumindest seitlich im Blick, gerade Linie zum Schlagzeug, und auch die Seiteninstrumentdepots sind gut einsehbar.

Die meisten Stücke sind mit einem sehr soliden Grundrauschen unterlegt, in dem die Töne aus den einzelnen Instrumentquellen nur verschwommen und wabernd zugeordnet werden können, in einem Wirbel aus Drive, Blues, und wildem Metall, das Auge sieht und hilft dem Gehör soweit es geht, elektronisches Fiedeln fügt allem weitere Aufladung hinzu, was alles zu dem sehr zufriedenen Gefühl eines einzigen genial verwobenen Gesamtklangs führt, der alles dringt wie über eine Strecke durch ein Feld heftiger Turbulenzen hindurch, und doch klingt im Inneren die Essenz jeder Melodie nach. Rückblickend kann auch kaum festgestellt werden ob bereits mit den ersten Klängen das Gehör derart ausgehebelt wurde, dass vielleicht im weiteren das Grundrauschen gar nicht mehr so stark war, sondern das dumpfe Unterwasserhörerlebnis von da an anhaltende Begleitung. Gitarre und Taste scheinen oft für kurze Momente demselben Flusslauf zu folgen, das Schlagzeug prasselt beständig, in einem der ersten Stücke vermeinen die ihrem Fokus orientierungsberaubten Ohren polyphones Trommeln auszumachen, dazwischen die wie verweht ankommenden Einflüsterungen des Sängers, schwebende Nostalgie, berauschend komplexe Verästelungen mit abrupt klaren Sequenzen in denen das Grundrauschen sich kurz zu einem distinkten Gesamtwesen vereint, um die Signatur eines Stücks in die Ohren zu hämmern, die oft eine Oase der Ruhe und süßen Stille zu sein scheinen, und tausend Gitarrenmomente. Gerade das erste der tatsächlich ruhigeren Stücke enthält das Wort Hurricane. Recht bald geht die Band abwechselnd in eine kurze Pause. Der Gitarrist spielt eine einsame berückende Weise. Der Schlagzeuger kommt wieder spielend hinzu. Auch der Gitarrist gönnt sich ein Päuschen hinter der Bühne, andere kommen zurück. Zu einem späteren Zwischenstück verzückt die e-Violine allein, mit sehr viel Hall auf einer tragenden Melodie. Aus der Gitarre werden mehrfach einzeln verzerrte Technotöne abgesetzt – war das in neuen Stücken? –, die in diesem fremden Kontext das Gehirn im Nachverfolgen aller Gehörwindungen fesseln, verirren, verwirren. Alles ist gesättigt mit Klang, Blues und in wenigen Stücken auch sehr vordergründig Jazz in den Tasten. Nebel, neue Lieder. Zur physiologischen Komponente mag noch notiert werden, dass bei den Versuchen des Sängers mit dem Publikum zu sprechen, doch eine deutliche, den Sänger scheinbar irritierende, Verzögerung in den Reaktionen ausgemacht werden konnte, die darauf hinweist dass der drohende Gehörverlust, und somit nach jedem Gesagten Zeitverzug in den Gehirnen um sich das Gehörte zu einem Ganzen zusammenzureimen, auf ganzer Breite des Publikums angeschlagen hat. Erstaunlich, sollte er nicht ahnen, dass ihn niemand simultan verstehen kann weil in den Ohrmuscheln noch das Grundrauschen nachschwingt? Wenn auch verzögert und vielleicht manchmal an den falschen Stellen eingesetzt, war der Applaus aber wohl doch, zusammen mit dem durchwegen Wippen, Hüpfen, und extatischeren Tanzbewegungen durchsetzte Gesamteindruck des Publikums zufriedenstellend. Im langen Nachhauseweg klingt abwechselnd das zarte Geräusch von Strauchschrecken mit dem Konzert blubbernd in den Ohren nach. Hr Waltes Ohren pfeifen. Meine rauschen.

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thoreauvian ::: tiefer am Saum der Erde entlang

Beschreibung Froschquaken wenn man näher kommt. Ein brodelnder Laut. Vergleicht mit Kindern. »dies und vieles andere lässt an den Froschzustand denken.«

Hört den Traumfrosch. Kleine pfeifende Frösche am Horizont bilden einen »Klanghintergrund, den man nur hört, wenn man darauf achtet. Bei ersterem ist es ein bebender Ton – mal höher, mal tiefer am Saum der Erde entlang – ein alles durchdringender Klang.« → vgl. soviele Vogelgesangtonaufnahmen. Und All them …

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

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Fotorunde ::: seint sommer summ-it Sep/Okt ‘22

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