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thoreauvian ::: sich selbst aufzeichnen

»… das Wasser hat deutlich an ein paar Pegelständen relativ still gestanden, denn es gibt nur zwei oder drei Linien der Ablagerung und des Treibguts. Sodass sich auch in dieser Hinsicht die Natur selbst aufzeichnet.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

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23.05.22 | Jonathan Bree | UT Connewitz

Amante Amato, oder auch Jonathan Jarzyna a.k.a. John Moods. Mensch hinter Gaze in überwiegend roten Lichtspektren. Eine mit grobkörnigen Animationen bespielte Leinwand dahinter. In den ersten Klängen werden Erinnerungspartikel aus La Boum oder Cinderella 87 ausgelöst, während im beschriebenen Kulissenaufbau Parallelen zum Toolkonzert nicht hinwegsehbar sind. Sich überlagernde Synth- und andere Klanggewebe mit verwehendem Hauch einer Stimme.

Jonathan Bree und seine Masken betreten die Bühne und im Publikum befindet man sich unmittelbar in einer anderen, verträumten und phantastischen Welt aus Klang, Tanzbewegung und Stillstand. Worte wie zauberhaft und entzückend müssen eingesetzt werden, nicht nur für die beiden Damen die gleich zu Beginn mit neu requisierten gold gefalteten Fledermausumhängen die sich so fabelhaft radial aufspannen lassen in diese andere Welt geleiten, sondern auch für das unscheinbarer statueske Spiel der anderen Künstler, Kontrast der Gesamtchoreographie, und den gesamten aus Musik gewirkten Stoff aus dem diese Welt besteht. Im Stoff dieser Welt lässt sich aus einem immerwährenden Hintergrundklang noch der Urknall erahnen, ein Treiben und Schweben durch Nebel- und Sternenglitzer, Sirren und …

[ich könnte auch einfach alles aus 2019 herzitieren, es hat sich im Grunde nichts verändert],

… süß verquietschte Synthesizer, Violinenschleier, klirrende Tastentremolos, satte Tuschs und Trommelschläge, Plingen und Klacken, … helles Glockenspiel und Sirenengesang, weit ausholende Klänge wie Gesten …

und sehr viel Zuckerguss, in dem sich die noch immer geballte Energie und atmosphärischer Druck in diskret gesetzten Klangeinsätzen entlädt, das ablaufende Räderwerk der Zeit das in vorherbestimmten Abständen in einem Weiterticken der Welt resultiert. Dieses wird durch Tanzbewegungen akzentuiert so dass auch taktscheue Menschen es sehen können. Die Zeit vergeht, die einzelnen Akteure treten in den Vordergrund und ziehen sich wieder zurück wie Himmelskörper, die Saitenmenschen treten von ihrem Podest, lustwandeln einmal über die anderen Bühnenteile, interagieren mit den beiden Damen und schlendern wieder an ihren Platz, Rasseln und Trommeln, ein analogeres Kaleidoskop*, retroesker Kleidungsstil, Schrammeln und Plingen, Aufziehpuppen, aerobeske Bewegungsmuster, vielfache Zitierungen und Spiegelungen zwischen dem Leinwandgeschehen und Bühnenschanz, Pirouretten, Kinderspiel und Lullaby, Flirt und Humor, im ernsten Vortrag der Szenerie manchmal nicht einmal oberflächlich übertüncht. In einer Gesangspause in der Herr Bree statuesk steht, während sich die Welt um ihn dreht, wippen eindeutig die Zehen eines Beines. Dieses völlige aus der Rolle fallen kann schwerlich unbemerkt bleiben. Freude wieder in dieser Welt zu sein, alles Altbekannte wiederzuerleben wird übertürmt von Freude über neue Lieder und neue Requisiten, Psychopath, frische Breesen.

… die Leinwand verabschiedet sich. Man bleibt zurück. Erstaunt, zeitversetzt. Da war etwas was man in einer lang nicht mehr besehenen Schatulle aus der Kindheit im Aufklappen wiedergefunden hat, und für eine Weile wird es wieder ganz oben in den Erinnerungen liegen, für jeden sichtbar der einen scharfen Blick hat**.

* rf. Tool
** vgl. Terry Pratchett, Lords and Ladies; »Die Erinnerungen daran befinden sich ganz oben in deinem Bewusstsein. Jeder kann sie sehen. Jeder, der einen scharfen Blick hat.«

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Fotorunde ::: Teichzeit Marpril 22

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Fotorunde ::: Walentinswald

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thoreauvian ::: unverhältnismäßige aufmerksamkeit

Ist in einer Gemütsverfassung die ihn Flechten auf Baumrinden studieren lässt. »Das ist einzig der mir gewährte Ausblick. Das ist schmale Kost und nicht nährend. Sicher könnte ich weitere Blicke werfen. Die Gewohnheit auf mikroskopisch kleine Dinge wie Flechten auf Bäumen und Felsen zu schauen, hindert mich wirklich daran, auf meinem Spaziergang etwas anderes zu sehen. Wäre es nicht erhaben, den Schild der Sonne auf dem Thalus des azurnen Himmels zu studieren, der seine unendlichen Lichtsporen durch das Universum verstreut? Ist für den Lichenologen (→ ich habe mich erst als das Wort noch ein bis zwei Zeilen unter meiner Lesezeile war verlesen, Lichtologe) der Schild (oder eher das Apothecium) einer Flechte unverhältnismäßig groß, verglichen mit dem Universum?«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

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Tool | 15.05.22 | Mercedes Benz Arena

Noch tief erschüttert von der Konzerterzählung einer Freundin zur selben Location – in der Nachos und andere sinnintensive das aufmerksame Zuhören unterminierende Darreichungen eine unerträgliche Rolle spielten – doch unter ungetrübt blauen Himmel bewegen wir uns via Autobahn gen Berlin. Kalauervibes, toole T-Shirts (E.), und – im Hinblick auf die in München nicht aufgetretene Vorband Brass Against – Blas-phemie (P.). Mich nehmen nach Wittenberg/Dessau zunehmend gelb leuchtende mml. Ginsterbüsche in ihren Bann, sowie in der großen halbvertrauten Stadt rund um Friedrichshain & Simon-Dach vorbeiflattaternde Pieris. Die Gegend um die Warschauer Brücke subtil gewandelt, immer bebauter, schnieker doch dadurch auch austauschbarer, es könnten in beliebigen Städten die selben Gebäudeensemble stehen, alle Straßen so breit, Menschen, überall soviele Menschen. Doch rund um die Simon-Dach scheint die Welt noch stabil. Landen in einem thailändischen veganen Restaurant, Tourmeister S. wirkt zeitlich entspannt, bis er es nicht mehr ist, und wir mit vollem Magen zur Arena hasten. Allein für Tourischnappschüße von der Warschauer Brücke scheint noch Zeit sein. Der Einlass zieht sich ein wenig, doch irgendwann sind wir drin, schnell an den toolen T-Shirts vorbei, können der Vorband noch einmal winken, die covernde Blas-phemie haben wir leider versäumt und das Warten auf Tool beginnt.

. Da vorne, zwei Blöcke weiter trägt doch tatsächlich jemand Nachos vorbei . Wa-ahhh und hier nur einen Block weiter auch .

Das Konzert, Aufmerksamkeitsrangeln der Sinne. Visuelle Effekte, kaleidoskopische Mandalas durch die man eine Welt wie ein Eintauchen in bewegte 3D-Bilder betrachtet, im ersten Drittel zudem mehrschichtig, auch auf dem transparenten Rundbogenvorhang projiziert, intensives Lichtfarbleuchten, rote Welten, blaugrüne Welten wie ein Einfliegen in einen langen Wald, 70erquietschbunte Welten – wäre Tools Musik nicht die die sie ist sie würde darin untergehen. So verbindet sich alles zu einem epischen Ganzen voller Kulturbezüge. In den roten Welten kommt man nicht umhin durch die halbhockende Stehhaltung von Maynard James Keenan an Höllenkreisszenarien zu denken, dazu und dazwischen durchsetzt mit okkulten und fernöstlichen Symboliken. Nach dem Öffnen das Vorhangs kommen leuchtende Laserebenen und Flutgelichter hinzu, zaubernder Glitter der von der Decke schwebt, und ein magisch glimmendes Septagon.

. Neben uns setzen sich warme und intensive Geruchspartikel verbreitende Pommes .

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Fotorunde ::: Nogimpelpark Mar 22

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Fotorunde ::: Naturwald Süodost Mar 22

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thoreauvian ::: wiesenlaufen

Bewirtschaftet den Staub seiner Vorfahren. »… ich ziehe los um die Wiesen zurückzulaufen, zu denen all jene geworden sind.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

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