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fotorunde ::: zur Scherbelwiese Mai & Jun 21

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thoreauvian ::: musik sein träumen

»zu meinem unendlichen Bedauern erwachte ich heute Morgen. … [Traum, reiten, dann segeln. Erst über Meer, dann über Land. Sieht plötzlich seinen Hund obwohl er nicht weiß dass er einen hatte. Dann eine Feuchtwiese. Trifft einen Freund und rezitiert mit ihm vergnüglich Verspaare. Zitiert eine von der er in seinen wachen Stunden nichts weiß, im Traum ist sie ihm aber ganz vertraut] … Ich hatte das Wort Erinnerung darin! … [und im Aufwachen das Gefühl er sei ein Musikinstrument, ein Horn, Klarinette oder Flöte, hört im Erwachen die letzte Melodie oder Fanfare. Erwacht zu seinem unendlichen Bedauern, um sich nur als sich selbst vorzufinden, nicht als] … Durchgangsstraße glänzender und weltbewegender Eingebungen. … Ich wusste dass ich ein solches gewesen war und wieder sein könnte, und mein Bedauern entsprang dem Bewusstsein wie wenig mein Körper jetzt einem Musikinstrument glich.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch III)

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die Amsel

Die befreite Amsel breitete ihre Flügel aus und flog über das Sommerland … bis sie als ferner Punkt im Himmel verschwand …

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fotorunde ::: Reiherweiher Exp. & Flusswald Mai 21

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perec ::: rekursives Fragmentieren, Bereiche des Verschwommenen

»… ist schnell klargeworden, dass es mir nie gelingen würde, sie zu einer Abhandlung zu ordnen … diese diskursive Schwäche liegt nicht nur an meiner Faulheit (und hat auch nichts damit zu tun, dass ich meine Schwierigkeiten mit dem Schreibspiel [→ vgl. Glasperlenspiel] habe); sie hängt eher mit dem zusammen, was ich eigentlich mit diesem mir vorgeschlagenen Thema habe einkreisen, wenn nicht gar erfassen wollen. Als hätte das durch dieses Denken/Ordnen ausgelöste Hinterfragen das zu Denkende und das zu Ordnende auf eine Weise in Frage gestellt, dass mein Denken sich nur zersplitternd, verzettelnd und unaufhörlich auf die Fragmentierung zurückkommend, die es ordnen zu wollen vorgab, darüber nachdenken konnte. Was zum Vorschein kam gehörte völlig in den Bereich des Verschwommenen, des Unentschlossenen, des Flüchtigen, des Unvollendeten … dafür entschieden, diesen formlosen Bruchstücken ihren zögernden und ratlosen Charakter zu erhalten, habe darauf verzichtet, so zu tun, als wollte ich sie auf etwas hin ordnen … vielleicht bedeutet dies, auf die mir gestellte Frage zu antworten, bevor sie mir gestellt wurde. Vielleicht bedeutet es, sich davor zu hüten, die Frage zu stellen, um nicht antworten zu müssen. Vielleicht bedeutet es, sich dieser alten Redefigur die man Ausrede nennt, und bei der man sich, anstatt das zu lösende Problem anzugehen, damit begnügt auf Fragen mit Gegenfragen zu antworten und sich damit jedes Mal hinter mehr oder weniger vorgeschobene Inkompetenz flüchtet, bis zum Überdruss zu bedienen. Vielleicht bedeutet es aber auch, darauf hinzuweisen, dass die Frage eben ohne Antwort ist, das heißt, den Gedanken auf das ihn begründete Ungedachte zurückzuverweisen, so wie das Geordnete auf das zu Ordnende (das Unnennbare, das Unsagbare), das zu verbergen es sich unablässig bemüht …«

(Georges Perec, Denken/Ordnen, in: Denken/Ordnen)

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perec ::: nur ausnahmsweise auf begründetes Wissen verweisen

»Die folgenden Seiten vermögen nichts anderes zu sein als Anmerkungen: eine mehr intuitive als organisierte Ansammlung verstreuter Fakten, die nur ausnahmsweise auf begründetes Wissen verweisen. … Brachland der beschreibenden Ethnologie … unter der Rubrik Verschiedenes eingeordnet, Dringlichkeitszonen bilden, von denen man lediglich weiß, dass man so gut wie nichts über sie weiß … banale, mit Stillschweigen übergangene, nicht angenommene, sich von selbst verstehende Fakten: dabei beschreiben sie uns selber, auch wenn wir glauben, uns ihre Beschreibung ersparen zu können …«

(Georges Perec, Lesen: sozio-physiologischer Abriss, in: Denken/Ordnen)

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perec ::: spröde/geheime Spiegelungen seiner selbst

»Seit langem schon hatte ich das gleiche auch mit meinen Träumen getan. Lange vor Beginn meiner Analyse war ich nachts wachgeworden, um sie in schwarze Hefte zu schreiben, von denen ich mich nie trennte. Sehr schnell war ich zu einer solchen Übung gelangt, dass mir die Träume bereits fertig geschrieben in die Hand kamen, einschließlich ihres Titels. Wie groß auch immer meine selbst heute noch vorhandene Neigung für diese spröden und geheimen Aussagen ist, bei denen die Spiegelungen meiner Geschichte über unzählige Prismen zu mir zu gelangen scheinen, habe ich schließlich doch akzeptiert, dass diese Träume nicht erlebt worden waren, um Träume zu sein, sondern geträumt, um zu Texten zu werden, dass sie nicht der Königsweg waren, für den ich sie gehalten hatte, sondern gewundene Wege, die mich jedes Mal stärker von einer Erkenntnis meiner selbst entfernten.«

(Georges Perec, Orte einer List, in: Denken/Ordnen)

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perec ::: Archivar des Alltäglichen

»… so spielt eine gewisse Geschichte meiner Vorlieben (ihre Fortdauer, ihre Entwicklung, ihre Phasen) in dieses Projekt mit hinein. Genauer gesagt, es ist wieder einmal eine Art und Weise meinen Raum abzustecken, eine etwas umständliche Annäherung an meine tägliche Erfahrung, eine Möglichkeit über meine Arbeit zu sprechen, über meine Geschichte, über meine Sorgen, das Bestreben, etwas zu erfassen, das zu meiner Erfahrung gehört, nicht als spätere Reflexion, sondern im Augenblick ihres Zustandekommens.«

»bis das Buch seinen endgültigen Platz findet oder wiederfindet … das man aber … anlässlich des nächsten großen Ordnens einstellen will … was mich angeht so sind dreiviertel meiner Bücher niemals richtig eingeordnet worden. Diejenigen Bücher die ich nicht endgültig provisorisch eingestellt habe, sind wie bei Oulipo provisorisch endgültig eingestellt worden. Einstweilen trage ich sie von Raum zu Raum, stelle sie von einem Regal ins andere … und es kommt vor dass ich drei Stunden lang nach einem Buch suche, ohne das ich es finde, dabei aber die Genugtuung erlebe, sechs oder sieben andere zu entdecken, die ihren Zweck ebenso gut erfüllen.

… Wie Borges’ Bibliothekare … schwanken wir zwischen der Illusion des Vollendeten und dem Rausch des Nichtfassbaren. Im Namen des Vollendeten wollen wir glauben, dass es nur eine einzige Ordnung gibt, die uns ermöglicht, auf Anhieb zum Wissen zu gelangen; im Namen des Nichtfassbaren wollen wir denken dass Ordnung und Nichtordnung zwei gleiche Wörter sind, die den Zufall bezeichnen. Es kann aber auch sein dass beide Lockmittel sind, Augentäuschungen, dazu bestimmt, den Verschleiß der Bücher und der Systeme zu verschleiern.«

»Gleichzeitig erfolgte so etwas wie ein Bankrott meines Gedächtnisses. Ich hatte auf einmal Angst vor dem Vergessen, als ob ich nichts, es sei denn, ich schrieb es alles auf, von dem dahinfliehenden Leben zurückbehalten könnte. Jeden Abend begann ich peinlich genau … eine Art Tagebuch zu führen: es war das Gegenteil eines intimen Tagebuchs; ich hielt darin nur das fest, was mir an Objektivem widerfahren war: die Zeit meines Aufwachens, … Einzelheiten über das Essen …, meine Lektüre, die Schallplatten, die ich mir angehört, die Filme die ich mir gesehen hatte. … sinnlose Angst, meine Spuren zu verlieren, war begleitet von einer Wut, zu bewahren und zu ordnen.

… Von der Bewegung selbst, die … mir Zugang zu meiner Geschichte und zu meiner Stimme verschaffte, sage ich nur dass sie unendlich langsam war … musste die Mauer der übernommenen Erinnerungen abgetragen erden, mussten meine grüblerischen Refugien zu Staub zerfallen …«

(Georges Perec, Anmerkungen hinsichtlich der Gegenstände die auf
meinem Schreibtisch liegen, und: Kurze Anmerkungen über die Kunst und Art
und Weise seine Bücher zu ordnen, und: Orte einer List, in: Denken/Ordnen)

→ vgl. auch Musil, Verwalter der Wirklichkeit

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