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mars ::: sandfarben; Beobachtung alleine nie ausreichend

Sax; »Beobachtung alleine ist nie ausreichend. … sein Denkvermögen war, soweit er das beurteilen konnte, etwa dasselbe geblieben, und er hatte keine Mühe mit den räumlichen und anderen nichtlinguistischen Tests gehabt. Aber wenn er zu sprechen versuchte, traten plötzlich Fehler auf – im Mund und im Verstand. Die Dinge verloren ihre Namen. Seltsamerweise blieben sie auch ohne Namen noch Dinge. Er konnte sie sehen und über sie nachdenken, als Formen oder Zahlen. Formale Beschreibung. Unterschiedliche Kombinationen von Kegelschnitten und den sechs achsensymmetrischen Rotationsflächen, Ebene, Kugel, Zylinder, Katenoid, Unduloid und Nodoid: Gestalten ohne Namen, die aber selbst Namen waren. Eine geometrisch-räumliche Sprache. Aber es zeigte sich dass es schwer war sich ohne Wörter zu erinnern.« Leiht sich die Methode des Gedächtnispalastes aus, nimmt hierzu das Labor in Echus Overlook, und kann in ihr im Geist umhergehen, und legt dort alles Mögliche ab. »… und dann kam manchmal der Name. Aber wenn er ihn kannte und auszusprechen versuchte, war es leicht möglich, dass der falsche aus seinem Mund kam. Er hatte immer in diese Richtung tendiert. Schon früher, vor dem Hirnschaden, war es gelegentlich schwierig gewesen, seine Gedanken in die Sprache zu übertragen, die nicht gut zu der Art passte, wie er dachte.»

»Vernichtung ist Erschaffung. Wie ein kleines Kind werden. Sprache als Raum, als eine Art mathematischer Notation. Geometrische Lokalisierungen im Gedächtnislabor. Lesen. Karten, Codes, Substitutionen, die geheimen Namen der Dinge. Das triumphale Anstürmen eines Wortes. Die Freude am Reden. Die Wellenlänge jeder Farbe nach Wert. Dieser Sand ist orangefarben, braun, beige, siena, umbra, gebrannt-siena, ocker. Der Himmel ist zartblau, lavendel, malve, violett, preußischblau, indigo, mitternachtsblau. Man schaue nur auf beschriftete Farbtafeln, die reiche Intensität der Farben, den Klang der Wörter! Er wollte mehr. Ein Name für jede Wellenlänge des Spektrums. Warum nicht? Warum so knickerig? Die Wellenlänge von 0,59 Mikron ist so viel blauer als die von 0,6. …« … Teile seiner inneren Sprache die völlig aus Klischees bestand, Klares Design, gute Daten. „… durch diese bequemen Formulierungen schnitten, als stammten sie aus einer völlig getrennten Sprache, die neuen Wahrnehmungen hindurch und verlangten Phrasen, weil sie ausgedrückt werden wollten.«

(Kim Stanley Robinson, Grüner Mars)

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terzani ::: lesen hören sein

»Ich wusste es war eine Frage der Perspektive. Ist unser Blick auf die Welt eingeschränkt, kommen uns unsere Probleme, unsere Leiden extrem wichtig vor, und unser Tod entsetzlich, undenkbar. Weitet sich der Blick und sieht man die Welt in ihrer Gesamtheit, ihre Großartigkeit, wird unser Zustand, so erbärmlich er sein mag, Teil dieser unendlichen Weite und des ewigen, natürlichen Auf und Ab des Menschen in dieser Welt.« … wie Kunst helfen kann, trösten, erheben. Gibt Orientierung. »Wir sind nicht nur das was wir essen, und die Luft die wir atmen. Wir sind auch die Geschichten, die wir gehört haben, die Märchen über die wir als kleine Kinder eingeschlafen sind, die Bücher die wir gelesen, die Musik die wir gehört, und die Gefühle die ein Gemälde, eine Statue, ein Gedicht in uns geweckt haben.«

(Tiziano Terzani, Noch eine Runde auf dem Karussell. Vom Leben und Sterben)

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gormenghast ::: immer wieder besuchen

Flay im Krüppelwald. »… das Geräusch seiner Knie wurde Vögeln und Hasen Tag um Tag vertrauter. Sonnenlichtgestreift, wo der Wald dünner wurde, dunkel wie der Schatten selbst, wo keine Sonne eindrang … die Natur war, wie es schien, so gewaltig wie Gormenghast. Aber als die Zeit verging, lernte er die kürzesten und verborgensten Wege durch Berge und Tal, von Flusslandschaft und Sümpfen zu finden …«

»… starrte abwesend über den unteren Teil des ausgestreckten Arms auf den Schimmer des Grases. Er ruhte sich nicht lange aus, denn er wollte vor der Abenddämmerung in seiner Nordhöhle ankommen. Er war einige Zeit lang nicht dort gewesen, und mit einer Art dunkler Freude hatte er der plötzlichen Eingebung nachgegeben. … der Blick von der Nordhöhle aus war ungewöhnlich. Er schenkte Mister Flay das, was er sich unter Freude vorstellte. Immer häufiger entdeckte er in seinem neuen und sonderbaren Leben dieser Weite, so fern von Gängen und Hallen … etwas das in ihm neue Gefühle hervorrief, ein Interesse an Phänomenen jenseits von Ritual und Gehorsam … die Vielgestaltigkeit der Pflanzen und die verschiedenen Strukturen der Borken, die Mannigfaltigkeit von Fischen und Vögeln und Steinen … sein Vergnügen war von zäher, praktischer Art, und dennoch nicht ausschließlich. Wenn ein Lichtpfeil auf eine dunkle Fläche fiel, hob er den Blick zum Himmel, um die Spalte zu entdecken, durch die die Strahlen hindurchgebrochen waren. Dann kehrte er mit einem Gefühl von Bereicherung zu dem Spiel der Strahlen zurück …

… als die Tage vergingen, merkte er, dass er das Gebiet hier und dort durchstreifte um zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu sein, um mittags die Eichhörnchen bei den Eichen zu sehen, das Heimkommen der Rabenkrähen oder das Sterben des Tages von irgendeinem günstigen Aussichtspunkt den er selbst gefunden hatte.«

(Mervyn Peake, Gormenghast)

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thoreauvian ::: durch die Vielfalt der Gegenstände ein wenig verwirrt // re: Kiesgrube

»Dies ist mein Jahr der Beobachtung, und ich stelle mir vor dass meine Freunde sich auch mehr der Beobachtung im Freien widmen als je zuvor, gleichsam epidemisch.« Überquert einen Bach, Kühle oder Kühe auf Wiesen, Geist belebt, Erlen, Farne, will zu jedem Spaziergang eine Schlüsselflechte mit Fruchtkörpern finden. »… in dieser Jahreszeit dünkt mich, betrachten wir nicht, wie im Frühling, die größeren Züge der Landschaft, sondern werden von Einzelheiten in Anspruch genommen.« Mir scheint es diese Tage genau andersrum, es ist nun langsam zu heiß als sich nicht nur allein von dem Blick den die Weite bietet, beseelen und glücken zu lassen. »Als vorher die Wiesen überflutet waren, schaute ich weit über sie hinweg zum fernen Wald und den Umrissen der Hügel, die noch ferner waren. Nunmehr sollte ich nicht mehr so viel von ausgedehntem Wasser oder Landschaften zu sagen haben. Man ist durch die Vielfalt der Gegenstände ein wenig verwirrt. Für weite Blicke bedarf es einer gewissen Kargheit und Kahlheit von Details.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

Wie der Kiesgrubentag. Da da der Bewuchs wiederholend war, war es mehr ein einfach nur gehen und schauen und sein?

Wild karge Schönheit an der Kiesgrube, von oben doch wärmer als in der kühlen Wohnung gedacht, doch mit Hut, und relativ schattigem Weg annehmbar, und der Wind richtet es noch mehr. Der Hinweg mit kleiner Richtungsherausgefordertheit, und der Weg durch den sehr schmalen monihohen Grastrampelpfad wurde auch noch zunehmend dickicht, doch die Schneise ist irgendwann passiert, und es hat mir einen braunen Waldvogel geschenkt. Sonst wieder nur tausend Schachbrettfalter, Ochsenaugen, wenige Weißlinge dazu, und hie und da Dickkopffalter. Es gibt einen Zweispuren-Karrenfeldweg der nach links und rechts führt. Nach Norden Grauammer und diese meiner Seele so wohltuenden wogenden Grasweiten, einmal in ocker und einmal in grausilbergrün. Steppenursprung? Nach Süden wird lange von einem Neuwäldchen der Blick auf die Grube nicht gegönnt, dann, endlich liegt sie da, niedriger Wuchs, Wind volle Wucht von vorne, befestige meinen Hut, und sehe Milanen, Möwen, Staren und Krähen beim Luftgleiten zu. Sehr gelb voll Klee und Kamillenduft, Feinstrahl getestet. Und am Ende Lavendel. Über dem Grubenmeer Sandwolken vom Kiesabbau in der Ferne, und in diesem irgendwie verklärtem Blick kreisen die Lachmöwen. Nach Norden gekundschaftet doch an den interessant werdenden Sandabbruchklippen, nachdem ich schon frei stehende Puschelschafe mutig nah passiert habe, versperrt mir schließlich eine Hundertschaft von Graugänsen den Weg, wer würde sie verscheuchen und stören wollen? So halte ich mich fern, zockele zurück, sehe erst später auf den Fotos die Nilgänse auf der Insel, lasse mich weiter durchpusten und bin sehr froh dass der Weg weiter nach Süden schließlich über eine niedrige Wiese sehr einfach zurück in die Siedlung führt.

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woolf ::: bleibende nachmittage auffädeln

»… Tauziehen ein Dauerzustand – auf der einen Seite die Nachtigall oder die Aussicht, die sie leidenschaftlich liebte – ja, für eine schöne Aussicht und für die Vögel empfand sie nichts Geringeres als Leidenschaft; auf der anderen Seite der feuchte Pfad, oder der entsetzliche lange mühsame Weg den steilen Berg hinauf, mit der Folge dass sie am nächsten Tag zu nichts zu gebrauchen sein würde … wenn sie also von Zeit zu Zeit gut haushaltete mit ihren Kräften und einen Ausflug nach Hampton Court zuwege brachte, in der Woche da die Krokusse … am eindrucksvollsten waren, dann war das ein Sieg. Es war etwas Bleibendes; etwas, das für immer von Bedeutung war. Sie fädelte den Nachmittag auf die Kette unvergesslicher Tage, die nicht so lang war, als dass sie sich nicht diesen oder jenen in Erinnerung hätte rufen können …«

(Virginia Woolf, Slater Nadel haben keine Spitzen, in: Ein verwunschenes Haus)

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gormenghast ::: in sich selbst leben

Während eines Rituals, diverse Tagträume werden wiedergegeben. Gertrude. »… wenn er älter wird kann ich ihm beibringen sich um sich selbst zu kümmern und wie er sein eigenes Leben lebt soweit das möglich ist für jemanden der Tag für Tag diese grauen Steine auf dem Herzen liegen hat und jenes Geheimnis das einen Außenstehenden erstarren lässt und dann wird er in sich selbst leben können … und wie er den Kopf hübsch von den Pflichten freihalten kann die er Tag für Tag vollziehen muss … und er muss das Geheimnis der Stille kennenlernen und seine eigenen Wege gehen unter den Vögeln und den weißen Katzen und allen anderen Tieren, so dass er sich der Menschen nicht bewusst wird …«

(Mervyn Peake, Gormenghast)

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thoreauvian ::: waschender Tag

30. Mai, Sonntag. »Jetzt ist der Sommer gekommen. Ein windiger, waschender Tag. Ein Tag für Schatten, Tag sogar von Wolken, die über Felder ziehen, auf denen das Gras zu wogen beginnt.«

»… in diesen frischen und mannigfachen Farben ist Leben, Leben in der Bewegung von Wind und Wellen … Ein Tag, der zum Bummeln taugt. … Nach einem Sturm zu dieser Jahreszeit kommt die Sonne hervor und erhellt das zarte sich entfaltende Laub, und die ganze Natur ist von Licht und Duft erfüllt, und die Vögel singen ohne Unterlass, und die Erde ist ein Märchenland. … beginnt der Sommer nicht nach dem Maisturm?«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

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minsky ::: … Bienen und andere gefährliche Naturvölker

Pax interessiert sich mehr für Tiere als Menschen. »ewig kann sie Katzen beim Sonnen zuschauen, Elstern beim Stibitzen oder Ameisen beim Ameisen.« … »es ist der Frühling 2034, der 21. April, um genauer zu sein ein sommerlicher Tag mit Bienen und anderen gefährlichen Naturvölkern …«

(einzlkind, Minsky)

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freischlad ::: verschüttet liege ich da bis ich wieder in der Vertikalen existiere

textzerpte aus einem nie krank sein »… kein einziges Mal werden wir in dieser Zeit auch nur den Kopf oder die Schultern von der Matratze heben, um zurückzusehen in das Leben, das wir noch vor wenigen Tagen führten, zurück in alles, was uns ein Menschenleben lang bekannt und vertraut war.« … »aus einem Halbschlummer schrecke ich auf, weil ich mich laut lachen oder weinen gehört habe … Amir weckt mich. Verschüttet liege ich da.« … »die Alldämmerung steht im Fenster; teefarbenes Licht durchzieht das Glas wie Cirruswolken und verbleicht an den Wänden.« … »versuche nicht zurück in den Sekundenschlaf zu taumeln, diesen schneeweißen Weltenraum des Innern, der der Schwerelosigkeit so verwandt ist.« … Kopf, »lege ich ihn etwas zur Seite, wird mir sofort schummrig; ansonsten sitze ich einfach und fühle, wie ich in der Vertikalen existiere.« … »nach eineinhalb Stunden im dunklen Augenraum, in denen die Erschöpfung genug Zeit hatte, sich in mir auszubreiten wie Nebel über einem Moor, werde ich zum Laufband geschoben.«

(Dennis Freischlad, 60 Tage liegen)

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thoreauvian ::: nicht so wild & geheimnisvoll

»wenn ich bei meinem Wandern einen Gefährten verlange, bin ich sicher, in meinem Vorhaben auf eine nahe Verbindung zur Natur verzichtet zu haben. … ich habe dann einen nicht so wilden und geheimnisvollen Spaziergang im Sinn.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

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thoreauvian ::: eine gewisse Waldigkeit

Nachmittags, strahlender aber kalter Tag. Kaltes silbriges Licht auf den Kiefern. Darüber tost der Wind. Im Wald ist er vom Wind geschützt, beschreibt in verschiedenen Versuchen das audio-Erlebnis, »in dem Klang ertönt eine gewisse Waldigkeit! Wie der Wind zwischen den Wanten des Waldes tost!« Verwelktes Gras, dürres Kraut, jede Kiefernadel strahlt Licht ab. Die Wälder offen und licht … »der Glanz des Herbstes ist herrlich, dieser blitzende Glanz, als phosphoresziere die Atmosphäre.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch III)

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pratchett ::: richtungsmäßig herausgefordert

Ridcully/Esme, durch unwegsamen Wald, dem Erzkanzler bretzen ständig Zweige entgegen, Esme nicht. »wie machst du das, fragte der Erzkanzler nach einer Weile – Ich weiß die ganze Zeit über wo ich bin, entgegnete Oma. – na und? Auch ich weiß wo ich bin. – nein weißt du nicht. Du bist nur zufälligerweise da. Das ist etwas ganz anderes.«

Esme, »… ich habe mich nicht verirrt … ich bin nur … richtungsmäßig herausgefordert.«

(Terry Pratchett, Lords und Ladies)

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thoreauvian ::: kritik des nebels

Tautröpfchen wie Edelsteine auf einer Asclepias, Boden beschwerende Riesenpilze müssen eine Bedeutung haben, Nebel »… bildet nicht solche vollkommene Meere wie früher … zu allgemein verbreitet und umherschweifend.« … tauiger Spinnenwegmorgen.

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

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thoreauvian ::: niedrige nebelvision

Abenddämmerung. Fische springen. Kupfriges Glühwürmchenlicht. Spiegelungen im Wasser. »Es herrscht ein niedriger Nebel der den Fluss leicht verbreitert, und durch den die Bögen der gerade noch sichtbaren Steinbrücke wie eine Vision erscheinen. Der Nebel ist auf ganz absonderliche Weise eingegrenzt, hier mal geballt, während es dort keinen gibt …«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch IV)

vgl. mondsichtig, 2018

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gormenghast ::: als ganzes niemals gesehen

»… wer vermag zu sagen wie lange das Auge des Geiers oder des Luchses benötigt um eine Landschaft gänzlich zu erfassen, oder ob das augenscheinliche Durcheinander der Einzelheiten überhaupt in einem einzigen Moment als geordnete und begriffene Entfernungen und Gestalten aufgenommen werden kann, so dass auch die letzte Kleinigkeit in Beziehung zum Gesamten wahrgenommen wird? Kann sein dass der Habicht nichts anderes sieht als die Hochlandwiesen und inmitten des groben Grases, deutlicher als das Feld selber, das Kaninchen … und dass die Landschaft als Ganzes niemals gesehen wird, sondern nur jene wie mit einer Fackel ausgeleuchteten Bereiche, wo die Beute wartet, und die sich umgebenden Regionen sich in den gelben Augen zu Wolken und Dunkelheit verdichten. … sicher ist … dass das schwächere Auge des Menschen nicht einmal nach lebenslangem Training eine Szene in ihrer Gesamtheit erfassen kann. … und genauso verhält es sich mit Träumen und was darüber hinausgeht, denn alles was das Herz heimsucht, wird wenn es gefunden ist, herausspringen, das Auge blenden und den größeren Teil des Lebens im Dunkeln belassen.«

(Mervyn Peake, Gormenghast)

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