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All them Witches | UT Connewitz | 27.10.22

Lange an-Tram durch bereits nachtdunkle Welt, erfreulich bald abgelöst durch das Ansetzen der langen Atmosphäre, Gitarrenklänge und Elektronik ohne Gesang, wie durch mehrere lange Erden hindurch. Begeben uns vor zur Bühne und finden ein lauschiges Plätzchen zum langen Stehen, bis All them Witches beginnen. Zur großen Freude die zweietagigen Tasten zumindest seitlich im Blick, gerade Linie zum Schlagzeug, und auch die Seiteninstrumentdepots sind gut einsehbar.

Die meisten Stücke sind mit einem sehr soliden Grundrauschen unterlegt, in dem die Töne aus den einzelnen Instrumentquellen nur verschwommen und wabernd zugeordnet werden können, in einem Wirbel aus Drive, Blues, und wildem Metall, das Auge sieht und hilft dem Gehör soweit es geht, elektronisches Fiedeln fügt allem weitere Aufladung hinzu, was alles zu dem sehr zufriedenen Gefühl eines einzigen genial verwobenen Gesamtklangs führt, der alles dringt wie über eine Strecke durch ein Feld heftiger Turbulenzen hindurch, und doch klingt im Inneren die Essenz jeder Melodie nach. Rückblickend kann auch kaum festgestellt werden ob bereits mit den ersten Klängen das Gehör derart ausgehebelt wurde, dass vielleicht im weiteren das Grundrauschen gar nicht mehr so stark war, sondern das dumpfe Unterwasserhörerlebnis von da an anhaltende Begleitung. Gitarre und Taste scheinen oft für kurze Momente demselben Flusslauf zu folgen, das Schlagzeug prasselt beständig, in einem der ersten Stücke vermeinen die ihrem Fokus orientierungsberaubten Ohren polyphones Trommeln auszumachen, dazwischen die wie verweht ankommenden Einflüsterungen des Sängers, schwebende Nostalgie, berauschend komplexe Verästelungen mit abrupt klaren Sequenzen in denen das Grundrauschen sich kurz zu einem distinkten Gesamtwesen vereint, um die Signatur eines Stücks in die Ohren zu hämmern, die oft eine Oase der Ruhe und süßen Stille zu sein scheinen, und tausend Gitarrenmomente. Gerade das erste der tatsächlich ruhigeren Stücke enthält das Wort Hurricane. Recht bald geht die Band abwechselnd in eine kurze Pause. Der Gitarrist spielt eine einsame berückende Weise. Der Schlagzeuger kommt wieder spielend hinzu. Auch der Gitarrist gönnt sich ein Päuschen hinter der Bühne, andere kommen zurück. Zu einem späteren Zwischenstück verzückt die e-Violine allein, mit sehr viel Hall auf einer tragenden Melodie. Aus der Gitarre werden mehrfach einzeln verzerrte Technotöne abgesetzt – war das in neuen Stücken? –, die in diesem fremden Kontext das Gehirn im Nachverfolgen aller Gehörwindungen fesseln, verirren, verwirren. Alles ist gesättigt mit Klang, Blues und in wenigen Stücken auch sehr vordergründig Jazz in den Tasten. Nebel, neue Lieder. Zur physiologischen Komponente mag noch notiert werden, dass bei den Versuchen des Sängers mit dem Publikum zu sprechen, doch eine deutliche, den Sänger scheinbar irritierende, Verzögerung in den Reaktionen ausgemacht werden konnte, die darauf hinweist dass der drohende Gehörverlust, und somit nach jedem Gesagten Zeitverzug in den Gehirnen um sich das Gehörte zu einem Ganzen zusammenzureimen, auf ganzer Breite des Publikums angeschlagen hat. Erstaunlich, sollte er nicht ahnen, dass ihn niemand simultan verstehen kann weil in den Ohrmuscheln noch das Grundrauschen nachschwingt? Wenn auch verzögert und vielleicht manchmal an den falschen Stellen eingesetzt, war der Applaus aber wohl doch, zusammen mit dem durchwegen Wippen, Hüpfen, und extatischeren Tanzbewegungen durchsetzte Gesamteindruck des Publikums zufriedenstellend. Im langen Nachhauseweg klingt abwechselnd das zarte Geräusch von Strauchschrecken mit dem Konzert blubbernd in den Ohren nach. Hr Waltes Ohren pfeifen. Meine rauschen.

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20.10.22 | Placebo | Arena

Aus dem Haus fallen und schon beinahe in der sehr weitreichenden Schlange vor dem Einlass stehen. Dame D die von der anderen Richtung kam und sehr frische Cure-Erfahrungen vorweisen kann mutmaßt dass es auch auf der anderen Seite Einlass gebe, schlendert um die Ecke um das Abzuchecken und kurz darauf funkt mein Telefon, und wir betreten durch den nicht geheimen Hintereingang wartelos die Arena. Der große Raum ist noch weitgehend leer, und bereits sehr warm. Begeben uns in die hintere Hälfte des vorderen Drittels wo man noch recht geräumig stehen kann, und kurz darauf scheuchen Dead Letters ihre Songs über die Bühne.

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Emma Ruth Rundle | 20.07.22 | UT Connewitz

Nachsehen, wann Emma Ruth beginnt, und dabei wieder daran erinnern … es wird heute mit Klavier sein! Etwas leuchtet im Sein. Weg zum Konzert mit der temporären Komfortzehn, innen nicht nur überraschend kühl, sondern auch, zwar unbequem, bestuhlt. Der Abend in sehr ruhiger Stimmung, die Vorkünstlerin, Jo Quail, ein e-Cello aus dem sie sehr schöne klare und verquere Töne entlockt, sich loopt, und vieles andere veranstaltet, Versatzstücke einzelner Klänge folgen aufeinander, wirkliche Streichfolgen gehen kaum mal länger als wenige Takte, wodurch alles ein bisschen wie eine lang anhaltende Klang- und Ideenfindungsprobe klingt. Jo Quail ist dabei strahlend nett, unterhält sich mit dem Publikum, witzelt dass sie hier mal andere Sachen spielen kann, weil sie nicht auf einem Metal-Festival ist, und lobt artig die besondere Venue … | … Emma Ruth wechselt zwischen Taste und Akkustikgitarre, ihre Stimme zwischen süßer Helligkeit, Flüstern und brausendem Sturm. Alles in dieser ihr eigenen Art innerhalb der eigentlichen Melodie unzählige Submelodien in die Wörter zu legen. Live auf der dunklen UT-Bühne ist es ein Knistern der Stille, klarer Brillanz, es müssten bessere Worte gefunden werden, das auf keinem Album erlebbar ist. Dazwischen Geplauder mit dem Publikum, viele UT-Erinnerungen, Woven Hand, unzufrieden mit der Unperfektion ihres Gitarrenstimmens, sie würde es so gerne perfekt für ihr Publikum machen, doch es ist unmöglich. Und zwischen allem … darf das Wort Intensität wohl nicht fehlen, in jedem einzelnen Stück, in jedem Moment, und die Nähe die sie zwischen sich und allen die zuhören einlässt. Ein Stück zusammen mit Jo Quail, sie haben es bereits zusammen auf der Platte gespielt, doch sie spielen es zum ersten Mal wirklich zusammen, und sind sehr glücklich darin.

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23.05.22 | Jonathan Bree | UT Connewitz

Amante Amato, oder auch Jonathan Jarzyna a.k.a. John Moods. Mensch hinter Gaze in überwiegend roten Lichtspektren. Eine mit grobkörnigen Animationen bespielte Leinwand dahinter. In den ersten Klängen werden Erinnerungspartikel aus La Boum oder Cinderella 87 ausgelöst, während im beschriebenen Kulissenaufbau Parallelen zum Toolkonzert nicht hinwegsehbar sind. Sich überlagernde Synth- und andere Klanggewebe mit verwehendem Hauch einer Stimme.

Jonathan Bree und seine Masken betreten die Bühne und im Publikum befindet man sich unmittelbar in einer anderen, verträumten und phantastischen Welt aus Klang, Tanzbewegung und Stillstand. Worte wie zauberhaft und entzückend müssen eingesetzt werden, nicht nur für die beiden Damen die gleich zu Beginn mit neu requisierten gold gefalteten Fledermausumhängen die sich so fabelhaft radial aufspannen lassen in diese andere Welt geleiten, sondern auch für das unscheinbarer statueske Spiel der anderen Künstler, Kontrast der Gesamtchoreographie, und den gesamten aus Musik gewirkten Stoff aus dem diese Welt besteht. Im Stoff dieser Welt lässt sich aus einem immerwährenden Hintergrundklang noch der Urknall erahnen, ein Treiben und Schweben durch Nebel- und Sternenglitzer, Sirren und …

[ich könnte auch einfach alles aus 2019 herzitieren, es hat sich im Grunde nichts verändert],

… süß verquietschte Synthesizer, Violinenschleier, klirrende Tastentremolos, satte Tuschs und Trommelschläge, Plingen und Klacken, … helles Glockenspiel und Sirenengesang, weit ausholende Klänge wie Gesten …

und sehr viel Zuckerguss, in dem sich die noch immer geballte Energie und atmosphärischer Druck in diskret gesetzten Klangeinsätzen entlädt, das ablaufende Räderwerk der Zeit das in vorherbestimmten Abständen in einem Weiterticken der Welt resultiert. Dieses wird durch Tanzbewegungen akzentuiert so dass auch taktscheue Menschen es sehen können. Die Zeit vergeht, die einzelnen Akteure treten in den Vordergrund und ziehen sich wieder zurück wie Himmelskörper, die Saitenmenschen treten von ihrem Podest, lustwandeln einmal über die anderen Bühnenteile, interagieren mit den beiden Damen und schlendern wieder an ihren Platz, Rasseln und Trommeln, ein analogeres Kaleidoskop*, retroesker Kleidungsstil, Schrammeln und Plingen, Aufziehpuppen, aerobeske Bewegungsmuster, vielfache Zitierungen und Spiegelungen zwischen dem Leinwandgeschehen und Bühnenschanz, Pirouretten, Kinderspiel und Lullaby, Flirt und Humor, im ernsten Vortrag der Szenerie manchmal nicht einmal oberflächlich übertüncht. In einer Gesangspause in der Herr Bree statuesk steht, während sich die Welt um ihn dreht, wippen eindeutig die Zehen eines Beines. Dieses völlige aus der Rolle fallen kann schwerlich unbemerkt bleiben. Freude wieder in dieser Welt zu sein, alles Altbekannte wiederzuerleben wird übertürmt von Freude über neue Lieder und neue Requisiten, Psychopath, frische Breesen.

… die Leinwand verabschiedet sich. Man bleibt zurück. Erstaunt, zeitversetzt. Da war etwas was man in einer lang nicht mehr besehenen Schatulle aus der Kindheit im Aufklappen wiedergefunden hat, und für eine Weile wird es wieder ganz oben in den Erinnerungen liegen, für jeden sichtbar der einen scharfen Blick hat**.

* rf. Tool
** vgl. Terry Pratchett, Lords and Ladies; »Die Erinnerungen daran befinden sich ganz oben in deinem Bewusstsein. Jeder kann sie sehen. Jeder, der einen scharfen Blick hat.«

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Tool | 15.05.22 | Mercedes Benz Arena

Noch tief erschüttert von der Konzerterzählung einer Freundin zur selben Location – in der Nachos und andere sinnintensive das aufmerksame Zuhören unterminierende Darreichungen eine unerträgliche Rolle spielten – doch unter ungetrübt blauen Himmel bewegen wir uns via Autobahn gen Berlin. Kalauervibes, toole T-Shirts (E.), und – im Hinblick auf die in München nicht aufgetretene Vorband Brass Against – Blas-phemie (P.). Mich nehmen nach Wittenberg/Dessau zunehmend gelb leuchtende mml. Ginsterbüsche in ihren Bann, sowie in der großen halbvertrauten Stadt rund um Friedrichshain & Simon-Dach vorbeiflattaternde Pieris. Die Gegend um die Warschauer Brücke subtil gewandelt, immer bebauter, schnieker doch dadurch auch austauschbarer, es könnten in beliebigen Städten die selben Gebäudeensemble stehen, alle Straßen so breit, Menschen, überall soviele Menschen. Doch rund um die Simon-Dach scheint die Welt noch stabil. Landen in einem thailändischen veganen Restaurant, Tourmeister S. wirkt zeitlich entspannt, bis er es nicht mehr ist, und wir mit vollem Magen zur Arena hasten. Allein für Tourischnappschüße von der Warschauer Brücke scheint noch Zeit sein. Der Einlass zieht sich ein wenig, doch irgendwann sind wir drin, schnell an den toolen T-Shirts vorbei, können der Vorband noch einmal winken, die covernde Blas-phemie haben wir leider versäumt und das Warten auf Tool beginnt.

. Da vorne, zwei Blöcke weiter trägt doch tatsächlich jemand Nachos vorbei . Wa-ahhh und hier nur einen Block weiter auch .

Das Konzert, Aufmerksamkeitsrangeln der Sinne. Visuelle Effekte, kaleidoskopische Mandalas durch die man eine Welt wie ein Eintauchen in bewegte 3D-Bilder betrachtet, im ersten Drittel zudem mehrschichtig, auch auf dem transparenten Rundbogenvorhang projiziert, intensives Lichtfarbleuchten, rote Welten, blaugrüne Welten wie ein Einfliegen in einen langen Wald, 70erquietschbunte Welten – wäre Tools Musik nicht die die sie ist sie würde darin untergehen. So verbindet sich alles zu einem epischen Ganzen voller Kulturbezüge. In den roten Welten kommt man nicht umhin durch die halbhockende Stehhaltung von Maynard James Keenan an Höllenkreisszenarien zu denken, dazu und dazwischen durchsetzt mit okkulten und fernöstlichen Symboliken. Nach dem Öffnen das Vorhangs kommen leuchtende Laserebenen und Flutgelichter hinzu, zaubernder Glitter der von der Decke schwebt, und ein magisch glimmendes Septagon.

. Neben uns setzen sich warme und intensive Geruchspartikel verbreitende Pommes .

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Jesse Ahern ::: Chuck Ragan | 13.05.22 | Conne Island

»… der große Saal war gefüllt mit dem Schweigen von Hunderten,
die den Atem anhielten. Buddys Finger bewegten sich.
Er spielte drei einfache Akkorde. Und dann sah er auf.

Hallo Ankh Morpork!

Klippe spürte, wie die Musik hinter ihm aufstieg und ihn
in einen Tunnel aus Feuer, Funken und Aufregung stieß.
Er schlug mit den Hämmern zu. Und es erklang
Musik Mit Steinen Drin.« – Terry Pratchett, Rollende Steine

Postmigräneaura. Der lange Weg durch die Stadt, schlafwandlerisch auf alten Pfaden, der Hinterhof voll entspannt wartender, plaudernder oder einfach seiender Menschen. In das Dunkel, es sind noch Seniorensitzplätze frei. Einfach. Wieder vertraut. Vorband, ein leichtes Wiedereinschwingen schrammenden Gitarrenklang mit kräftiger Stimmuntermalung zu hören. Mr Ahern sinnt über Livemusik, das Wichtigste auf der Welt, und vieles andere was ihn besonders die letzten zwei Jahre bewegte.

The Dictionary of Obscure Sorrows möge der Welt das Wort für das Gefühl etwas erst dann zu vermissen wenn man es wieder zurückerhalten hat geben.

Chuck Ragan und Band betreten zu Blues, Frauenstimme, die Bühne. Der große Saal ist gefüllt mit dem Begrüßungsjubel von Hunderten. Und es erklingt die Musik mit Chucks Stimme drin. Der Bassist scheint erst aus der Dark Star gefallen zu sein, bis sehr spät endlich die eigentlich darunter liegende Ähnlichkeitserinnerung sich aufdeckt, aus DS9, der Steinwandler. Hinter der Säule wird ein Tastenmann wiederentdeckt, Todd Beene. Die uneigentlichen Tasten haben Saiten die metallisch verzaubernden sphärisch wabernden Klang über das Gitarrenschrammen, das muntere Scheppern der Mundharmonika, den Bass, die Drums und Hr Ragans Stimme legen. Das Steelsaitenwabern und das Gitarren- und Bassklangplingen verschimmern in sehr faszinierender Weise gegeneinander. Das Zuhören wird weiter von vereinzelt gestreuten Arrangementabweichungen gefesselt. Hr Ragan übervoll Freude in seinem Wiedersehen mit dem Conne Island. Und voll Botschaft. Die Wichtigkeit des Lichts am Ende jedes Tunnels in all seinen Songs & im Leben, auch denen die aus der Düsternis kommen, was immer dieses Licht für jeden einzelnen sein mag. Seine Stimme steigt in allen Songs so alles ausfüllend hoch wie es in diesen Gemäuern zu erwarten ist.* Die Kette seiner Hits reicht für viele Zugaben lang, wie in einem Rausch treiben sie vorbei. In jedem Mal ein Wiedererkennen und Erinnern, auch diesen Song gab es ja noch. Und auf den Ohren ist es nur ganz wenig dumpf. Und das lang ungewohnt ausdauernde Klatschen tut nur ganz wenig weh. Zurück durch die Nacht, die Stadt, voll Menschen.

– Slippery past 2008 2009 1018
* vgl. Shawshank Redemption

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le guin ::: aus zeit gemacht

»Shevek jedoch konnte mit Dramen nicht viel anfangen. …. erst in diesem zweiten Jahr in Abbenay entdeckte er – endlich – seine Kunst: die Kunst die aus Zeit gemacht ist. Jemand nahm ihn mit in ein Konzert des Musiksyndikats.«

(Ursula K. le Guin, Freie Geister)

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knausgård ::: duskregnet – donny darko drømmeaktig

»himmelen var grå, duskregnet falt stille og nesten umerkelig … stemninge fra en drøm jeg hadde plaget meg« … en musikk tekst »… men donny darko drømmeaktig også« … i hvert fall fylle det han med stemninger fra den tiden da platen kom ut »… og så steg likesom den andre låten rett opp fra den første, jeg elsket den overgangen, noe steg opp i meg også da, og jeg slå hånden i luften flere ganger mens jeg tok noen langsomme steg rundt og rundt.«

(Karl Ove Knausgård, Min Kamp 5)

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Altin Gün | 6.2.20 | Conne Island

Alles auf die Seniorenplätze! Neben uns wird sehr hübsch zur Retrovordisco in Gestiken getanzt, in den Stücken gibt wie in einem Kaleidoskop viel neues zu entdecken, die Erinnerung birgt ein Muse’sches Flackern, innerhalb der Vielzahl anderer Elemente die sich in den psychedelischen Schlager einfinden, aus den Tasten winden sich unwahrscheinliche Töne, alles trommelt, glitzert, und schellt – eine ganze Welt. Mehr Altin Guen.

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Okta Logue | 17.11.19 | Naumanns

Vorband. Suzan Köcher’s Suprafon sehr stimmungsvoll einstimmend. Die Atmosphäre und das Selbst entspannt sich in Reminiszenzen an Air, Au Revoir Simone, Moon Duo auch, vermeint sich im Road House, der Raum dunkel, die Bühne neblig, und auf ihr eine Band, die auch Hr. Lynchs transzendierenden Musikgeschmack wie von Traum vernebelter Wahrnehmung sehr gut treffen würde. Metallsaiten, Schellenkränze, Rasseln, Schlagbläche und wie im Traum vernommene Stimmen hallen von sehr metallhaltigen Canyonwänden wieder.

Und dann, der kleine Laden, und wie die Musik ihn ausfüllt. Im Nachhinein erinnert es an Jenniferever in der Mule. Noch mehr Nebel, ein Musiker beklagt sich dass er sein Instrument kaum noch sieht. Die Musik umschließt einen. Intensive Mimik und ebensolches Gitarrenspiel wieder untrennbar miteinander verbunden. Musik aus den 70ern aber mit glänzend neuem Klang. Wieder eintauchen in Okta Logue …

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Filmrunde ::: Royal Cinema, private communication

… Zeit für eine kleine Reise in die Vergangenheit? Die Allgemeine, und auch die Eigene? … Doku erzählen, die wir gestern im Kinostern premieristisch, mit Q&A des Regisseurs im Anschluss, bereist haben. In der anschließenden Fragerunde geht auf, dass die Doku wohl bislang nur den rumänischen Royals gezeigt wurde. Margareta, im Anschluss vom Regisseur gefragt wie sie die Doku fand, äußerte sich in etwa mit: machtvolle Eindrücke, doch sie sei sich nicht sicher ob sie gut oder schlecht für sie wäre.

Die Reise war ruckelnd und sehr laut, das kann ich Dir sagen, so ein alter Zug (alter Hut?) ist keine Magnetschwebebahn, es wurde gehupt, gequietscht, getrötet und sehr viel Nationalhymne gesungen. Geschraubt und Gehämmert. Doch der Zug durchaus noch schmuck, auch wenn man es da ganz mit der charmanten, in falscher Liebenswürdigkeit zuckersüß lächelnden Bahnangestellten halten mag, die der begeisterten Anhängerin die die Durchfahrt und den Jubelhalt plant, erklärt, ja, es ist ja gut und schön, dass es die königliche Familie ist, das respektiere sie ja auch, aber Vergangenheit sei nunmal Vergangenheit. Selten haben ich ein aufreibenderes Duell gesehen, kein Western kann da mithalten, wie zwischen diesen beiden Frauen das Lächeln hin und herschießt, und jede weicht von ihrem Standpunkt nicht ab, verteidigt ihn beharrlich und unabrückbar. Die Familie könne ja auch weiter hinten am Bahnhof halten und aussteigen.

Doch, wie der Regisseur auch nachher bedauerte, solche Positionen hat er kaum gefunden, und so wird in nüchtern der Skurrilität Raum gebenden Manier die Hr. Walte an Wes Anderson erinnerte all das beobachtet, was sich rund um die Performance der Royals so abspielt, die Verkleidungen, Uniformen, mit allerlei Gekordel und silbernen Gebamsel verziert, Hüte, Trachten mit Gärten auf dem Kopf — wie es die Hüterin der Krone meines Erachtens mit mangelnden Respekt später beim Betrachten der Fotos der Royal Train-Kampagne bezeichnet –, Ritterrüstungen, das Ausrollen der roten Teppiche an den Bahnhöfen mit unterschiedlichem Professionalitätsgrad, einer vom Organisationskomitee bemängelt der Teppich müsse noch festgenagelt oder geklebt werden, sonst wehe er ja weg, einer der Einheimischen zuckt daraufhin in universeller Geste gekonnt mit einem leichten Anheben der Arme mit den Schultern, er habe weder Hammer noch Klebeband, und man denkt sich, na, daran hätte jemand mit Organisationssalär ja auch mal vorher denken können, die so hochmoderne Marketingmaschinerie die das Produkt Monarchie neu bewirbt, mit Flyern, Give Aways, Bildbänden, Fotografien, königlichen Hoflieferantenurkunden die zeremoniell verliehen werden, vor Schulklassen, alle Damen im Dunstkreis dieser anderen Welt, die weiter weg von den Bahnhöfen, und mehr in den Weinverkostungen, Verleihungen, Kirchen und Schlössern, Flughäfen und Parlamenten spielen, sehr hochhackig, Hausangestellte die immerzu Staub wedeln, oder auch mit einer Teppichfransenbürste selbige Fransen kämmen, akribisch auszurichtende Gedecke auf langen Tischen, und Faszination in welch engem Gedränge die Bewirtung im Zug gelingt, unfassbar dass beim Tellerabtragen keine Soßenreste auf die Gäste schwappen, die Organisationsteams dieses Unternehmens Monarchie wie aus dem Businessbilderbuch geschnitten, in Besprechungsräumen, an Bildschirmen, die Fotos mit den besten Wirkungen für die Presse heraussuchend, dazwischen immer wieder der sympathisch, doch nicht nachvollziehbar königsbegeisterte junge Archivar Adrian, Geschichtlichkeit allein mag es eigentlich nicht zu erklären, der alte Kultobjekte der verflossenen Monarchie in Buchhandlungen und Privatwohnungen zusammensucht, den Besitzern aber dadurch auch ein warmes Gefühl gibt, denn jemand interessiert sich für das, was ihnen auch schon so lange so wichtig ist, der in alten Wohnungen, Kellern und Werkstädten rumkraucht, und irgendwann zu einem weiteren Höhepunkt führend, der Kronprinz, der aussieht als wäre er der Bruder von David Lynch, was den verwirrend beklemmenden faszinierend verwundernden fremdartigen Eindruck des ganzen Geschehens sehr erhöht, reist zur Einweihung einer Büste auf einem Dorfplatz, alle sind wieder traditionell herausgeputzt, Blaskapelle in historischer Uniform aber spiegelnden Sonnengläsern, und das Priesterteam, einer davon besonders bärtig, das bei der Messe irgendwie unkoordiniert wild durcheinanderspricht, huch, wir haben die Weihung vergessen, also schnell den großen Weihwasserkessel geschnappt, einmal um die Statue herum, und dann noch die Menge weihen, und sowas, ich sage Dir, mit all meiner römisch katholischen Dorfvergangenheit, so etwas habe ich noch nicht gesehen, mit einem monströs überdimensionierten Weihwasserstreuwedel schöpft er aus dem Vollen um die Menge zu besprenkeln, wo in bayrischen Landen nur so ein bisschen Wischiwaschi der Weihwasserwedel zaghaft in die Menge geschwungen wird, da wird hier die Sintflut nachempfunden, ich habe gerade noch Zeit zu denken, huch die ganzen Brillenträger, werden ja über und über nass gepritscht, da nimmt auch schon der Geistesgegenwärtigste, vermutlich Erfahrenste von ihnen, seine Brille hektisch ab – ein fulminantes Spektakel! Und ich kann mir vorstellen dass manch junger Knabe da gerne auch das Kirchenamt als Berufswunsch ins Auge visiert, wenn man da ohne dass jemand etwas dagegen sagen kann, Menschen so durchwässern und bespritzen darf.

Und weiter und immer mal wieder rattert der Zug durch weite wie verlorene Landschaften, die als Gegensatz zu den prunkvollen Interieurs und Außen der situierteren Gebäude gezeigt werden, der Blick wird einmal von einer Widescreenaufnahme des rumänischen Parlaments völlig hinweggefegt, bis er in die Nacht rattert und in den Abspann hinein. …

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Brutus | 17.9.19 | Naumanns

»… Brutus, wann sehen wir uns wieder?«
(2018)

Es ist durchaus warm, immer noch, im Naumanns. Die zu Beginn hinter Hr. Walte quatschenden Bewunderer schwärmen im zweiten Song pogend nach vorne, und drängen dadurch den sichtversperrenden Schrank ab. Situatives Glück. Und die Musik? So berauschend wie eh … melodisch, intensiv, trommelnd, zauberhaft, die superschnellen Melodien aus der Gitarre, der wummende Bass, und die Melodien aus der Stimme – Seligkeit leuchtet hell auf allen Gesichtern. … die schiere Energie die einen durch den Abend staunend vorantreibt und äußert zufrieden, vergnügt und berührt in die bereit stehende Bahn springen lässt!

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Jonathan Bree | 10.09.19 | UT Connewitz

»… schon allein optisch bemerkenswert …«
(Hr. Walte, private communication)

Auf der Konzertseite des Lebens ist der Abendhimmel wunderschön blau, es ist nicht heiß, und das erst so leere UT füllt sich wie stets.

Der Vorkünstler, Ryder the Eagle, der »dirty crooner«, scheint eine Parallelinkarnation von Helge zu sein, persifliert sich mit großer Mimik durch die Schmachtfünfziger und begeistert durch Kostüm, überbetonte Tanzbewegungen und Stills. Witzig.

»… in Cowboy-Kostüm gekleidet, schmachtete zu vom iPad abgespielter Schlagermusik, warf sich in diverse dramatische Posen, tanzte expressionistisch und ekstatisch und kletterte als Höhepunkt der spektakulären Darbietung mit entblößten Oberkörper auf den Tresen der UT-Bar und sang von dort aus das Publikum an. Wellen der Irritation, Begeisterung und Fremdscham schwappten abwechselnd durchs Publikum«

Zeit für den Bree’schen Mummenschanz, seinen beiden requisiten Damen – vom weißen Hütchen bis zur Rüschenbluse piourettierend wie aus einem englischen Romantikfilm in Zeit des frühen 19. Jahrhunderts gefallen, die noch berüschte Hotpants schlagen das Zeitenrad zum High Heels-Stiefel-Look und Aerobic-Bewegungen der 60er –, Schlagzeuger und den in der Ferne dieser wabernden Zeitblase noch vage zu sehenden Gitarristen, allen das Gesicht unter weißem Tuch verborgen, Herr Bree selbst kontrastierend statuesk während er mit tiefrunder Stimme seine Welt singt, und so die Bühne in einen bizarren Schleier taucht.
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La Dispute | 7.07.19 | Conne Island

Wer braucht schon ein Mikrofon?

Addendum zu La Dispute 2015. Alle Beobachtungen, und darauf beruhenden Analysen und Thesen dort konnten durch die Wiederholung des Versuchsaufbaus umfänglich bestätigt werden.

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Bloc Party | 25.06.19 | Parkbühne

Abays Postband Razz ist diesmal Vorband. Sehr vernünftiger 00-Jahre-Retro, Reminiszenzen an Interpol et al.

Die erwartende Spannung. Das Publikum in der Zwischenpause ist trotz alles belegender Hitze hibbelig, die eine Hälfte hüpft immer mal wieder auf und ab, die andere wippt mit einem Bein. Und irgendwann ist es soweit, Bloc Party in halber damaliger Besetzung, neuen, vermutlich nicht mehr ganz neuen Bassisten und Schlagzeugerin betreten die Bühne. Beginnen mit einem der ruhigeren Lieder, unklar ob der Sound sich noch einspielen muss, oder nein, oder doch, Änderungen an den Arrangements vorgenommen wurden. Hie und da Abzweigungen in der history lane genommen werden. Hr. Walte berichtet aus späterem Forenstudium von der überzeugenden Vermutung das Album sei rückläufig abgespielt worden. So beginnen wir mit two more years, treiben über little thoughts und compliments* weiter zurück, und immer weiter zurück und entdecken das nie Vergessene neu. Die übereinander und oftmals auf so schwer nachvollziehbare Weise ineinandergehenden Layers der Songs treiben durch die mit Mückenspray durchsetzte Sirupluft wie verlangsamt auf einen zu, während einen das Grün der umstehenden Bäume umringt, und den Blick immer mal wieder abfängt. Und man kann sich eine Weile vollauf damit beschäftigen diesen so speziellen Bloc Party-Effekt auszuloten, den man immer unbewusst mitfühlt, wann immer man an ihre Musik denkt, aber live nochmal neu, unmittelbar und intensiv wahrnimmt, und die besondere Schönheit ihrer Musik ausmacht.

Die verschiedenen Lagen sind durchsichtig, die Songs haben immer, bei allen harten Einschlägen und Schrammen, etwas darüber und darunter und alles umgebendes schwebend Ätherisches, durch das der besondere Drive von Bloc Party gleitend hindurchmanövriert, die Beschleunigung zwischen vollkommener Ruhe und Geschwindigkeit, Brüche, Abruptheit, sie mögen sich direkt aus dem Herzschlag und Lebensgefühl von Kele Okereke speisen. In ihm und den Liedern von Bloc Party scheint eine nahezu Gleichzeitigkeit an unterschiedlichen Stimmungen zu existieren. Ein stetes Flimmern zwischen Hektik und Ruhe. Silent & Alarm.
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