PGI | Communiqué an Instituts-Leitung | bedeutender wissenschaftsgeschichtlicher & literarischer Fund

Herr Kollege!

ich bin auf einen bedeutenden wissenschaftsgeschichtlichen Fund gestoßen. Die Schrift Gedanken zur Tektonik Spaniens von Rudolf Staub (Als Manuskript eingegangen am 4. August 1926). Ich bedauere zutiefst dass unsere Sprache der Wissenschaft im Verlauf der letzten hundert Jahre so gewaltig an Ausdruckskraft verloren hat, wie es am zauberhaft malerischen Sprachgebrauch Staubs nur allzu deutlich wie schmerzlich offenbar wird.

Welch gewaltigen Reigen Rudolf Staub auf der Bühne Spaniens zur Inszenierung bringt. Vor allem das Bild von Gebirgszügen die freudig in den Ozean hineinziehen scheint ihn sehr gefesselt zu haben, es wird auf beinahe jeder Seite in neuen kräftigen Farbnuancen der Sprache zu Papier gebracht; Gebirge scheinen ihm ähnlich fidel und mobil wie uns die Zugvögel, nur allzu verständlich, benötigen sie doch nur den Wimpernschlag von wenigen hundert Millionen Jahren für ihre kurzweiligen Wanderungen.

Die Schrift kann auf der Website der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich
eingesehen werden: Gedanken zur Tektonik Spaniens

Sie beginnt mit den ergreifenden Worten:

Kein anderes Land Europas enthüllt dem Geologen einen solch unerschöpflichen Reichtum des Baues, eine derart wechselvolle Struktur, wie die iberische Halbinsel Spaniens und Portugals. Als wollte sich das mediterrane Gebirgssystem vor seinem Niedersinken in den Ozean noch einmal zu seiner ganzen fundamentalen Grösse erheben, raffen sich im Meridian von Spanien und Marokko die alpinen Elemente Eurasiens noch einmal enger zusammen und erreichen in hohen Ketten das Meer.

Weitere Beispiele der fesselnden, ja geradezu für die Thematik entflammenden, Schilderungskunst Staubs:

Als fixer Ausgangspunkt für unsere Betrachtungen kann die schöne Übersichtskarte der iberischen Halbinsel, die »Mapa geologico de Espana«, herausgegeben vom Instituto geologico in Madrid 1919, gelten. Dort ist in bisher Unerreichter Art der Boden Iberiens in durchsichtiger Synthese dargestellt, in einer Unsumme von Forscherarbeit, die wir mitteleuropäischen Geologen nur mit Gefühlen des Dankes entgegennehmen können.

Verwirrend fast erscheint die Fülle tektonischer Formen im Antlitz der iberischen Halbinsel, und bunt wie maurisches Mosaik fügen sich die Strukturelemente verschiedenster Art zusammen

Ergreifend ist der Gegensatz des Baues beidseits der Ebene des Guadalquivir in der Umgebung von Cordoba und Sevilla. Von NW streichen die alten Falten der Meseta kaum gestört bis hinab zum Guadalquivir, jäh abgeschnitten von den gewaltigen Brüchen, an denen, vom Cap San Vincente in Algarve bis über Cordoba hinaus, der alte Block Iberiens unter die jüngeren Gebilde Andalusiens hinabsinkt. Staunend sehen wir von den Höhen ob Cordoba die alpinen Ketten der subbetischen Sierren gegen uns branden, die alten Falten der Meseta in einem Winkel von 40-90° überschneidend.

Die paläozoischen Ketten Asturiens schwenken vielmehr an der Ecke von Siguenza und den Montes de Toledo in einer gewaltigen Beugung um die archäische Ecke der Sierra de Guadarrama nach Westen und Westnordwesten um und ziehen geschlossen nach Portugal und in den Ozean hinein.

Ungezählt sind die alten Probleme, die heute noch der Lösung und des Studiums harren, ein herrliches Arbeitsfeld ist hier auf den Höhen der spanischen Meseta noch zu beackern. Aher das eine darf wohl heute bereits als gesichert gelten, dass die hercynischen Ketten, mit einzelnen kaledonischen Enklaven, von Asturien in einer machtvollen Beugung um das Ostende des galicisch-kastilischen Blockes herumschwenken und über Portugal in den Ozean hineinziehen.

Ich verbleibe, innerlich noch zutiefst ergriffen,
M

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