Birds in Row ::: Caspian ::: Cult of Luna | 15.10.22 | Felsenkeller

Finden uns pünktlich am Einlass ein, und blockieren mit vielen anderen den Bürgersteig. Unpünktlich werden wir eingelassen. Laden loben. Ambiente und Sound sehr angenehm. Der Saal noch relativ leer wirkt angenehm geräumig, – die Bühne im Gegensatz dazu sehr überfrachtet zugestellt –, wird sich bis zu den Konzerten gut füllen ohne dass es erdrückend ist. Nach der ersten Band, die sehr begeisterte, finden N. und L. sich ebenso begeistert bei uns ein …

Birds in Row. Wir nutzen die Geräumigkeit des Saals um den zeitigen Beginn, der später zu überschüttender Dankbarkeit seitens Band gegenüber allen die so früh zugegen waren führen wird, sitzend zu erwarten. Mit den ersten aufgeladenen Klängen und sich vor uns füllendem Raum gelingt es uns noch eine Weile zu widerstehen, doch dann zieht es uns auf die Beine. Vollkommen unvorbereitet habe ich zwei Vorbands aus dem selben Klangraum von Cult of Luna erwartet, und so dauert es einen kurzen Moment des Rekalibrierens bis das Gefühl von La Dispute in meinen Erlebniskosmos flirrt, seltsam unterwandert von einem Jenifer Ever-Gefühl das aus dem träumenden Paraventsound der Gitarre mäandern mag. Je mehr Töne fallen, herausgeschrien, skandiert und von sehr preschenden Drums getrieben werden, überschlagen sich die neural entstehenden Verknüpfungen. Einzelne Klänge schießen quer, abrupte Liedwechsel mitten im Song, nicht zusammenpassende Versatzstücke die auf wundersame Weise doch eine Einheit bilden, ineinander aufgehen, White Wine, das harmonische duale Zusammenschreien zweier Gesangsstimmen, Bad Religion, Gesang durch Scream gewandelt. Post-Screamo-Core. Lichtchoreo schon beeindruckend und schön. Dazwischen Geplauder mit dem Publikum, lange konzertlose Zeit, Freude, Friedensbotschaft. So kurzweilig wie belebend, und das Gefühl hier gibt es im wieder und wieder hören noch sehr viel kompositorische Miniaturen, in die man Eintauchen möchte, mit vor Staunen offenen Augen, und Endorphinen in den Ohren.

Caspian. Sehr solide schön in ihnen zu seiende neunzehn Saiten hohe Gitarrenwälle, die Bühne dazu in Nebel und Leuchten gehüllt, das meist nur Schemen der Band erahnen lässt. Es wird sich ordentlich in die Saiten gelegt, was sehr stimmig zu der archaisch opulenten Note passt, Burgen und Belagerungs-Epen scheinen im Geist auf, wobei einzelne Stücke etwas fröhlich südländisches beschwingt und leichtes zu transportieren scheinen. Die Stücke überwiegend kontinuierlich auf gleich lauter Hörschwelle. Die Vorband wird ausnehmend gelobt, und das gestern erschienene Album als das beste des Jahres angepriesen. Außerdem Botschaften von nett sein und in hoffnungsarmen Zeiten an der Hoffnung festhalten.

Cult of Luna. Noch mehr Nebel. Mehr Bühnennebel war nie. Das was von der Bühne zu sehen bleibt ist meist in silbrig in Strahlen aufgefächertes Licht getaucht, man könnte fast sagen, wie in einem etwas irren Mondschein. Im Nebel sind Schemen wahrzunehmen, und Instrumente bis an den Horizont. Eine Stimme brummt beruhigend tief, um sie herum ist alles voll Klang, Saiten, Schillern, Bass, alles durchsetzt von alles durchdringendem Metallschlag, der in alle Glieder geht, Tasten, elektronische Töne fächern durch alles hindurch; sehr viel Getrommel. Dazwischen Momente in denen es sehr leise und einzeln plingend wird. Irgendwann nach den ersten Stücken lichtet sich der Nebel kurzzeitig so weit dass ein zweites Schlagzeug ausgemacht werden kann, doch es wird bis zum Ende der Show dauern bis sicher festgestellt werden kann, ob dieses kontinuierlich, oder nur bisweilen vom einen Saitenmann bespielt wird. Kontinuierlich. – Durch den Nebel und das lunare Leuchten wirken die Silhouetten wie durch ferne Zeiten treibend und von dort zu uns sendend. Noch ein Adjektiv? Erhaben. An Offering to the Wild.

Bereits der Einstieg in großem Glück, das erste Stück der neuen Platte, das mehrmalige dumpfe und satte Signal… wie heißt das nur bei Schiffen und Eisenbahnen? Abfahrtshupen? Abfahrtsdröhnen; man fühlt sich – vollkommen videobeeinflusst – wie der fidele Felsen der durch ein Klangbad treibt, hie und da zu kurzen Schlenkern gezwungen, weiten Kurven, und Start und Ziellinie immer vor Augen.

Der Sänger gestikuliert und zeigt gerne gen Publikum, – eine zeremonielle Praxis, deren Wirkungsziel sich der Beobachtenden nicht in Gänze entschlüsselt. Zu einem besonderen Moment klettert er von der Bühne und lässt sich dann von, wie ihr später mitgeteilt wird, nicht extra mitreisenden Trägern, sondern von Securitymannen auf dem Absperrgitter stabilisieren um dort eine Weile zu spielen. Er ist dadurch etwa einen Meter näher am Publikum, und auf weiterhin auf Bühnenhöhe. Bestimmt ist es von subtiler Bedeutung. Eindrücke von römischen Sänftenträgern manifestieren.

Das Licht. In einem Stück mit einzeln sehr abgehakten herausjagenden Tönen in Wiederholung flammt das Licht erst grün, dann weiß, dann in Nichts auf. Ungeheure desorientierende ins Dunkel fallende Erfahrung. Das Sehen hört auf.

Verabschiedungsrede nicht verstanden, Sprachverarbeitung des Gehörs scheint doch von der Lautstärke etwas beeinträchtigt. Konzertbegleitung umfasst das Konzertsein als »vollkommen absorbiert«. Nach mehreren stehenden Stunden Spaziergang nach Hause bei sehr mildem Wetter durch eine sehr lebendige Stadt. Bemerkenswerter Abend mit drei Bands die alle gut bis überragend waren. Soundbad in umringender Lautstärke in der doch alles sehr fein ausdifferenziert herauszuhören ist. Sehr hörsatt. Aus dem Palmengarten dringt noch Musik.

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