Im Auge des Tigers

Instinktwandlung durch Jahreskartenbesitz. Galt dem Zoobesuch früher Sonnenwetter als erstebenswertest, gilt es nun den Geist wider seinem Unwillen bei Schnee, Regen und Sturm ins Rosental zu treiben. Bei schönen Wetter sollen die anderen, das niedere Tageskartenvolk den Zoo durch ihre Anwesenheit in Massen bevölkern und lautschallend, drängend und querlaufend bereichern.

Der Connaisseur betritt das Feld wenn all jene nicht mehr dort sind, im stillen Genuß der vermatschten einsamen Wege und voll Freude über die nun — mit den Jahreskärtlingen unter sich — ausgelassen tobenden Tiere, und nickend den weisen Worten von Sielmanns Geist lauschend, der behende in diverse alte Herren schlüpft um an jedem Panzerglasfenster, an jedem Zaun, an jedem Gatter ein paar Insider-Informationen über das darin vorhandene Vieh zu streuen, und einen so durch die Weiten des Zoos zu geleiten.

Zoohighlight des Tages. Die Tigerbande die sonst träge und den Blicken unausgesetzt hinter den Büschen und Bäumen lümmelt/verdaut, streift nun bei leichtem Nieselregen fidel oder vielmehr, wie Herr Sielmann mir verriet, hungrig* auf und ab und stellt gar herzerwärmend oft den Blickkontakt mit den umstehenden Besuchern her.

An meinem Beobachtungsposten trennt nur eine Scheibe und daran anschließend ein eng- und dickmaschiges Gitter das Drinnen im Zoo vom noch weiter Drinnen des Tigerareals ab. Die streifende Mietz, die mir bis zur Kehle reicht, nähert sich meinem Posten und ich kann kaum fassen wie sehr zum Greifen nah ich sie beobachten kann.

Ich folge begeistert und voll des Wild-Live-Abenteuerer-Glückes weiter bis zur Gitterwand um einen gewagten Blick durchs millimeterkleine Loch des Gitters zu werfen. Gefühlte 10 cm trennen mich vom tiefbrummenden GrrroaaarrRMM das anderseits des Gitters erschallt.

Und so weiß ich nun wie es sich anfühlt,
wenn einem etwas durch Mark und Bein geht.

Dieses faszinierend ans Urtümliche rührende, kristallreine Angst-Gefühl hinter der nun nicht mehr gefühlten Sicherheit einer dünnwandigen Metal-Lochwand zu erfahren, ist mir jede Jahreskarte wert.

Eine Mitzrunde später hat sich eine Familie mit kleinem Mädchen zu mir an den Posten gesellt. Das Einmeterhoch sprappelt freundschaftlich auf das Monster ein und will es mit Geschenken locken. Mir unbegreiflich wie Kinder so kaltblütig sein können.

Weitere Bilder

* Am Wochenende kein Fresschen für Familie Tiger, um sie nicht ganz und gar in der Degeneration verkommen zu lassen. In der Wildnis hungern sie oft 2 Wochen bis zur nächsten Beute.

4 Kommentare
  1. whity · October 20, 2009 @ 18:41

    tut mir ehrlich leid fuer das Tigerchen, dass es in der freien Wildbahn wochenlang hungern muss. Aber so ein Heilfasten soll ja ganz gesund sein. Ich habe in Nicaragua auch tolle Tiere gesehen. Wenn ich mal wieder in der Zivilisation bin, werde ich mal ein paar Fotos posten. Ein “Hoch!” auf die 300 mm Linse!!

  2. admini · October 22, 2009 @ 20:58

    Ja ich denke auch das Leben da draußen hat eine ganz andere Bewusstseinskomponente.

    :-D

    Freu mich schon auf Deine Exoten-300m-Ausbeute. Hopphopp. Hochladen. Du bist doch nun angekommen, nicht? Keine Müdigkeit oder andere Aufgaben vorschützen!

  3. whity · October 23, 2009 @ 01:54

    bin müde, kann nicht mehr. Aber es ist geschafft und erwarte nun deine kennerhafte Kritik meiner 300 mm Ausbeute!

  4. admini · October 23, 2009 @ 10:26

    Ohui. Danke für den Hinweis, dein RSS-Feed auf den ich mich seit 2 Wochen verlasse funkt nicht. :-( … aber nun werde ich gucken gehen …