7.10.10 | Mouse on the Keys | Conne Island

Der Hund Emil. Er ist von erdigem Braun. Braunbärenbraun. Zottig, wuschelig. Vom Typ her ein bisschen wie einer dieser goldenen Apportierhunde, aber nicht so geleckt glänzend. Er ist vom wirklichen Leben. Naturbursche. Das Fell so dicht pelzig dass sein Gesicht konturlos bleibt. Das ist Hund Emil und als im Hof des Conne Island bei Draußensitztemperatur eine Tischtennisplatte in Beschlag genommen wird wetzt er bergeistert den Ball fixierend los.

Es gibt Hunde die wedeln am ganzen Körper.

Sissters. Das Schlagzeug ist die Musik.

Es ist manchmal schwer sich auf eine unbekannte Vorband einzulassen. Je mehr die Vorband Eigenart besitzt, desto schwieriger ist es. Versperrig irgendwie. Gelingt es so kann man unversehens mit einem staunenden Blick durch die Vergangenheit in die Zukunft belohnt werden.

Mit einer kurzen Klarsicht, einer Vision. Die Sissters stehen dem Idealbild der perfekten Band schon sehr nahe. Was nicht heißen soll ich möchte die das Schlagzeug begleitende Gitarre noch den Sprechschreigesang des Glam-80s-Sängers darin vermißen. Doch noch ein Schritt weiter, vielleicht dauert es noch ein paar Jahre, vielleicht Jahrzehnte, aber dann wird es sie geben. Die Band die einzig durch ein Schlagzeug besetzt ist. Trommeln in Höhlen waren der Anfang. Rhythmus, Schläge, Takt, Krach. Dahin zurück, konsequent.

Die Betonung liegt bei den Sissters so schwer auf dem Schlagzeug, läßt soviel und in so schnellem Wechsel aus dem Schlagzeug klingen, man kann diese andere Band, die dahinter halbverborgen an einem noch dunklen Waldrand im Morgengrauen wartet, man kann sie schon erahnen, beinahe sehen. Tool gibt dieser wartenden Band gerade einen Stups nach vorne, stolpernd. Bald wird sie sich aufrichten. Schon bald.

Die Darbietung des Duos wirkt zuerst skurril. Verstörend. Wild und schräg und anrührend. Es ist ergreifend! Es ist großartig.*

Etwas fängt im Kopf an freudig und ausgelassen auf und nieder zu hüpfen. Es ist ein Gedanke der sich, dem schrägen Geschehen lustvoll lauschend, bildet. Etwas irr lachend. Warum tanzt niemand dazu? Ich bin kurz davor …

Mouse on the Keys. Kinder des Jazz, immerzu getrieben. Kinder der Riesenstadt, ihr habt den Jazz, Jazz … Jazz in Teilen tanzbar gemacht.

Myspace-Selbstbeschreibung: Postrock with Jazz Influence.

Der Anfang gelingt ruhig, plastikbunte Alltagsbilder aus der Riesenstadt. Verzerrt durch computergenerierte Raumspalten. Fließend. Darin ein Lied wie eine weitausholende Erzählung bei gedämpfter Beleuchtung, atmend.

Aus der kunterjazzigen bis zum Anschlag immerzu am Grad zur Nervenzerrung wandernden Geräuschkulisse schält sich hin und wieder etwas heraus. Macht den Jazz entspannt und vielfältig. Der umrandende Krach, alle anderen Töne, Klänge und Instrumente ziehen sich zurück, treten zur Seite, und geben das Hören auf einen einzigen minimalen Pianolauf frei. Eine Melodie so harmlos schön und doch ausgefuchst, dass sie sich wie ein Lebensgefühl einnistet. Ein anderes Mal ist es ein den geliebt schrägen Disharmonieklang erzeugender Tastenschlag unison in Dur und Mol. Dann einfach nur Ruhe zwischen zwei Hagelstürmen.

Die fließenden Bilder auf der Leinwand fesseln. Es erscheint unvorstellbar dass jemand an einer Datenmaschine sitzend diese in minutiöser stundenlanger Arbeit erstellt hätte. Wie sich die strahlend weißen geometrischen Objekte mit nächtlichen Stadtdurchfahrten durchwabern und überlagern, so scheinen sie direkt aus dem neuronalen Netzen der Jazz-Bar-szeneriefein in dunklem Anzug und Hemd gekleideten Musiker zu entstehen. Nicht dass aus deren Köpfen Drähte und Kabel hängen würden. Nein. Über Funk. Der Bilddatenstrom muss über Funk aus den Köpfen an den Mac und von dort auf die Leinwand übertragen werden. Nur so kann es geschehen.

Irgendwann ist das Fließen zuende. Die Zugabe gespielt. Nur ein letztes noch. Gerührt hängt man an den Worten des Schlagzeugers und Publikumkontaktmannes als er nach der Zugabe ankündigt ein erst heute geschriebenes Lied spielen zu wollen, sie hätten es We love Leipzig genannt. Das einminütige tiefgrollende Grunzgebrüll dass er sodann in das Mikrofon haucht wie ein Monster hauchen würde, begleitet von seinen Bandkollegen die auf Schlagzeug und Tasten ein- und umsichschlagenwie Derwische, ist in seiner Komposition so dicht, dass man es sicherlich mehrmals und hochkonzentriert hören muss, bis man dazu in der Lage ist, alle Feinheiten darin zu erkennen und zu würdigen.

Und morgens danach stelle ich fest, dass die Melodie immer noch in mir klimpert.

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* leider gibt es auf myspace bisher nur zwei Demo-Versionen die eher das anfängliche Befremden auslösen.

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