Mono | 26.05.11 | Conne Island

Wir haben gelernt später zu kommen und müssen daraus lernen dass die besten Sitz- und Warteplätze denjenigen gehören die noch nicht gelernt haben. Vor der linksseitigen Verstärkerwand ist noch Platz, und ich freue mich auf die Gelegenheit stehend auf dem Bühnenbauteil gleichauf in Höhe mit anderen zu sein, deren Füße Bodenkontakt haben.

Mono betrippeln die Bühne. Schlagzeuger strahlt in seiner Statur und Bärtigkeit Samuraiweisheit aus. Die Gitarristen kauern sich zwillingshaft auf zwei Stühle die zu beiden Seiten des Schlagzeugs und der Bassistenfee stehen. Den Hintergrund verziert ein prunkvoller Gong. Sie alle sind auf anfangs unmerklich stumme Weise still als sie ihre Plätze vor dem gebannt wartenden Publikum einnehmen. Mono ist ohne Gesang. Auch Ansagen an das Publikum wird es nicht geben. Keine Absprachen untereinander. Unbestimmt und diffus dämmert mit jedem neuen Einsetzen ihres einen Stücks die Gewissheit, dass sie nie sprechen, wie wir Menschen vor der Bühne es auf selbstverständliche Weise tun. Als wäre die Musik die einzige Möglichkeit zur Kommunikation die sie haben. Oder die Kommunikation die sie der Sprache als überlegen erkannt haben, und daher vorziehen.*

Unwahrscheinlich dass dieser Eindruck dadurch begünstigt oder gar hervorgerufen wurde, dass ich nur wenige Tage zuvor die Voyager-Folge The Void gesehen habe, in der eine aus der Leere hervorgegange Spezies keine verbale Sprache hat, aber auf der Voyager sehr schnell lernt durch Musik mit der Besatzung zu kommunizieren. Sich in meinem Gehirn die zerbrechlich dargestellten Fantome-Wesen mit irgendwem der Monoisten visuell verbunden haben sollten.

Mono spielt eigentlich nur ein Lied, immer wieder. Der Beginn ist immer sehr langsam ansteigend, bis es nach einer lautlos Ewigkeit schreienden Spanne flirrend gitarrisiert laut herausbricht. Der Sturm dauert solange an, bis alle Monoianer sich vollkommen verausgabt haben und erschöpft zusammenbrechen. Danach beginnen sie leicht variierend wieder von Neuem.

Der erste Beginn des Stücks von Mono setzt mit einzeln ataktisch gesetzten verzückenden Geplinge eines oder auch zweier Glockenspiele ein. Und erweitert sich mit den sanften Schlägen des Samurai auf sein Schlagzeug, und mit wenigen verschlafenen Klängen aus den Gitarren. Die Anschlaghand der Bassistin scheint die Seiten ihres Instruments gar nicht zu berühren, sondern nur leicht darüber zu schweben. Als hätte sie als erster und einziger Mensch erkannt, wieweit die Bedeutung des Wortes Verstärker wirken kann. An den Stellen an denen einzelne Monoianer gerade nichts auf ihren Instrumenten beizutragen haben, verharren diese in ihrem Schwerpunkt. Still. Ruhend. Fokussiert und zufrieden.

Doch in jeder Variation des Stücks von Mono gibt es einen Moment in dem sich — meist die Gitarre des rechts sitzenden Gitarristen — zu einem hell gestimmten Vibrato entfacht. Und dann bricht es jedesmal los. Das Feuer in Ihnen. In heftig hervorbrechender Leidenschaft. Wie es bei Postrock-Virtuosen die aus westlich und nördlichen Regionen stammen eher nicht zu sehen ist. Da diese selbst in laut krachenden Stellen ihrer Stücke aus dem Innersten beglückt, doch anhaltend kontemplativ scheinen. Nüchtern versunken. Nicht Mono. Die Gitarristen werden auf ihren Stühlen mitgerissen wie der Schamane Edwards. Über ihr Instrument gebeugt, es immer stärker hin- und herreissend, die Hände gleiten kundig über es hinweg. Unvorbereitet, befangen, aus dem Konzept gefallen will man den Blick abwenden, da man etwas Intimes sieht. In den Gebärden und im Blick auf die Gitarre liegt Liebe der glühenden Art. Offen dargebracht. Liebe zum Instrument und zu den Klängen dieses einen Lieds, das Mono ist. Die Art von Liebe die beinahe nicht auszuhalten ist, die einen fühlen läßt, als ob man zerreißt.

Das vor dem Verstärker aufhorchende Ohr setzt nach dem ersten Durchlauf des Lieds immer mal wieder ruckelnd aus. Nicht unwahrscheinlich auch dass dieser dem Verstärker zugeschriebene Effekt in Monos Lied geplant enthalten ist. So wie auch in den Glocken- und Pianospielen viele Töne zeitlich und klanglich berückend danebengesetzt sind. Man weiß dass es genau so gewollt ist, und fühlt sich als beat- und tonhöhentauber Mensch, als wäre man endlich in eine vergessene Heimat zurückgekehrt.

* Es gibt Videos in denen sie frappierend offenkundig sprechen. Ich ignoriere diese. (Wie Menschen immer Tatsachen ignorieren, die das von ihnen mühsam errichtete Bild der Welt entstellen.)

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