The Builders and the Butchers ::: Portugal. The Man | 20.06.11 | Werk II, Halle D … Part II

Eine zweite Band schlendert auf die Bühne. In einem Rückblinzeln auf das erste Konzerterleben von Portugal. The Man sehe ich die Sängerfigur mit eingezogenen Schultern, dicht unter sich eingeklemmter Gitarre und unter dunklem Kapuzzenpulli versteckt, maskiert. Kapriziös. Nerdig. Knuffig. Die Band die nun die nebulöse Bühne betritt kann es also nicht sein schlussfolgert das Gehirn dem eine Schmelze unmittelbar bevorsteht, und dann setzt dichtester Gitarrenlärm ein — die Welt flackert — aus dem sich erst nach und nach erkennbar die Sängerstimme und geliebte Melodien herausschälen. Die sonnigen Jungs in hellen hawaiiösen Hemden sind es, sind Portugal. The Man. Metamorphose. Der Sänger mit klarem Blick und offenem Umgang mit dem Publikum. Was ist ihm nur geschehen?

Da sie nach den ersten beiden wildwuchernden Alben mehrere aus-chillernde Alben herausgegeben haben, ist es eine Offenbarung — eventuell eine Wiedererkennende grübelt die Erinnerung und fragt das Alter, doch dieses zuckt nur ohne Interesse die Schulter und blickt sturr nach vorne — diese Chillouts nun mit Gitarren brausend unterspült zu hören, die immer mal wieder eine kurze Öffnung für den Gesang lassen. Die damals leider kaum hörbare Stimme ist heute perfekt mit allem anderen austariert.

Und ganz weit hinten erinnert man sich fragwürdig daran auch damals von der Wucht verblüfft gewesen zu sein, nur vielleicht nicht so sehr wie nun, nachdem Portugal. The Man die Versinnbildlichung von sonntäglichen Frühstücken an denen die Sonne zaghaft durch das Fenster schielt geworden sind. Und all die Musik, die verschiedenen Abfolgen, der Drive, die lautstarken Gitarren, Perkussionen und das Schlagzeug wirken in diesen zarten Liedern so dicht hineingepackt, dass man das Gefühl hat, sie würden mit ihrer Liveshow ein schwarzes Loch erzeugen, dass da es noch darin begriffen ist alles Umliegende einzusaugen auf die Umgebung noch diesen Flackereffekt ausübt, den man sehen, vor allem aber fühlen kann, bevor es alles einfriert, vermutlich in einem letzten laut knallenden Atemzug. Doch der ist noch eine Weile entfernt. Gravitation und Schwere. Man wird eingesogen. Die Bestandteile der Musik sind so dicht gepackt, und wieder gepackt und gefaltet, man meint man stünde vor einer musikalischen Mandelbrotmenge, die sich nicht in den üblichen drei Raumdimensionen ausbreitet, sondern sich der Zeit bedient.

»Der Rand der Menge weist eine Selbstähnlichkeit auf, die jedoch nicht exakt ist, da es zu Verformungen kommt.«

In jedem Moment liegt ein ganzes Lied, und diese in sich vollständigen Lieder werden in so aberwitziger Geschwindigkeit gespielt, dass man aus der Entfernung, zeitliche Dimension, wiederum ein vollständiges Lied hören kann, dass dem ersten ähnelt. Doch dieses Lied hat ein unvergleichliches Vibrieren, da so viele Weisen in ihm stecken.

Zwischenblende. Rückblende Zwei. Wir stehen weit rechts vor dem Tastenspieler. Er ist der Rhythmus (personifiziert). Mit einer Hand das Keyboard bespielend, mit der anderen ein Rascheldings schüttelnd, der ganze Körper schüttelt sich mit. Nun stehe ich links vor dem Bass, und versuche diagonal das Treiben des Tastenspielers zu beobachten, doch er raschelt und schüttelt nichts. Ist es Derselbe? Die hell krausen Locken scheinen gleich. Doch das Rascheldings wird vom Bassisten bedient. Ist er nun der Rhythmus? Wird vor jedem Konzert ein Los gezogen? Ist es ansteckend und die ganze Band ist es? So wie sie oft sich selbst ähnlich intens von ihrer eigenen Musik durchpulst die Gesangsmelodien zusammen in das Mikro hineinstimmen? Genügend gravierende Masse für schwarze Löcher anzuhäufen ist Schwerstarbeit. Nun schlägt der Bassist auf den Hals des Basses ein. Nachdem er nach jedem Raschelintermezzo sein Percussionsinstrument achtlos auf den Boden warf, ist er es vermutlich müde es immerzu im nächsten Moment wieder suchen und aufheben zu müssen.

Auf den Alben ist die Musik von Portugal. The Man ein Bach. Er ist so klar dass man durch das Kühle Element hindurch bis auf den Grund sehen kann, auf dem Kiesel in der Sonne glitzern. Im Konzert ist es als wäre dieser Bach zu einem riesigen Strom angeschwollen der sich gerade ins Meer ergießt um unterirdisch weiter seinen Weg zu verfolgen, vielleicht von Alaska auf dem Weg nach Hawaii, um sich da dem sonnig sorglosen Leben hinzugeben, und ein paar Surfer auf seinen Wellen zu tragen. Im Wesen derselbe Fluß, doch das Meer rauscht um ihn herum. Er ist immer noch da, hörbar, und verbunden mit der Größe des Ozeans. Und das Konzert dehnt sich aus und wird immer weiter. Der Geist erkennt Jazz. Die Seele kreischt Soul. Und der Körper fühlt tief den Blues. Man sieht auf das fließende Wasser im Bach und in den Adern fließt das Blut. Wie alles Kleine was vor etwas Großem steht will es mit. Es ist das was den Geist, die Seele und den Körper verbindet.

Mind melt!

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