Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra | 5.03.14 | UT Connewitz

Lange Zeit war mir nur der Name bekannt — a Silver Mount Zion — nahezu unbewusst. Die Verbindung zu Godspeed meist vergessend.

Seit dem Wissen um des baldigen Konzerts ein Lied gehört — Blindblindblind — das Materie direkt am Herz verdreht.

Und seit Mittwoch kenne ich die ganze Welt die asteroidengleich wild und ausgelassen um den Planeten Godspeed trudelt und schwingt und flutet.

Das erste Stück beginnt mit einer gewaltvollen Überlagerung von langwellend tremolierenden Violinen und verzerrten E-Gitarren-Schwüngen am oberen hörbaren Frequenzspektrum, wie tausend Telegrafenkabel die in einem Gewitter wild herumgerissen an einem ultramarineblauen durchleuchteten Himmel zu ihrem Gesang angeregt werden, und aus dem Kabel durchdringt verwischt und verweht wahrnehmbar eine Stimme die an ihrem ursprünglichen Sendeort kräftig und laut gewesen sein muss, um bei all diesem Krach noch durch die Kabel heraushörbar zu sein. Darunter liegend berückend eine Art sphärische Walzermelodie, ein strudelnder Sog, ein sogender Strudel. Vertontes Sonnensystem. Taumelnd. Die Übertragung endet nach zehn Komma fünf Minuten.

Silver Mount Zion wirkt wilder, ausgelassener, schräger, steht der musikalischen Schönheit von Godspeed jedoch in nichts nach. Ein bisschen wie der verrückte Zwilling, der sich noch weitaus mehr erlaubt, als das durchplante Genie. Die wilde Verrücktheit liegt vordergründig im eigenwilligen prägnanten Klang des Sängers*, hin und wieder begleitet, sanft gehaucht, sinnlich, klar, und manchmal nicht weniger wahnvoll übergeschnappt von den beiden Violistinnen, zieht sich aber durch die gesamte Komposition, spiegelt sich in der Person des Schlagzeugers, der mit sichtlicher Freude Grimassen schneidend zwischen sanften Geklöppel und schnell aufeinanderfolgenden kräftezerrenden Schlägen wechselt, den Brüchen, der Mischung verschiedenster Musikstile in engster Raumzeit, jazzunterlaufende Kontrabassläufe, glitzernd plingende Klänge, langsam anschwellende Störgeräusche aus denen sich klassische Streicherklänge erheben, und die nie endende körperlich fühlbare Spannung die sich aus diesem ganzen Aufbau zieht, und munter an diversen neuronalen Bahnen im eigenen Kopf zu zupfen und zu ziepen scheint.

Die Elemente, außer dem Gesang, sind alle von Godspeed bekannt. Doch wirkt Godspeed im direkten Gegensatz auch in den gewaltigsten Ausbrüchen wohldurchdacht und kontrolliert, eine bestimmte Grenze nicht überschreitend, vielleicht auch nur über längere Passagen hinweg in schöner Harmonie verweilend, vielleicht als Ziel genau dieses über einen geräuschübersähten Weg erreichte Schweben in erhabener Schönheit verfolgend; eine Grenze über die die Truppe von Silver Mount Zion fröhlich hinwegsprengt. Und doch ist auch in jedem Stück von Silver Mount Zion ein zugrundeliegender Plan spürbar, Schönheit die in gelenktem Wahnsinn, Ausscheren und Dissonanz liegt, der Weg als immerwährendes Ziel, und nur kurz aufleuchtende gleichsam still werdende Pausen, in denen sich all dies zu einem klar klingendem Wohlklang aufdröselt, der meistens aus den Violinen schwebt, aber auch sofort in die Tonlagen abhebt, die einen Zuckerschock auszulösen scheinen. Eigentlich zu süß um es auszuhalten. In einer dieser Ruhepausen wähnt man sich in Twin Peaks, eine einfache Melodie auf dem Kontrabass, weitab vom Wasserfall an einer Stelle an der der Fluß im Schattenspiel der Douglastannen ruhig und tief vor sich hin fließt.

Zwischen diesen Meisterwerken blödelt sich der Sänger zerstreut und frohgemut durch die Ansagen des nächsten Stückes, den Titel, oder einzelne Worte meist nochmal wiederholend, oder immer wieder neu variierend und erfindend. Besonderen Spaß an der Vorstellung findend, er wäre James Blunt. Für eine Zugabe wird die Bühne nochmal betreten, mit einem ganz und gar leisem Stück ausklingend. So wie sich meist die wilden und unverständlichen Traumsequenzen, in denen der Verstand hilflos ausgeliefert vor Rätseln steht, von denen er nicht ablassen kann, zur Aufwachzeit hin mehr und mehr in nachvollziehbare Handlungen wandeln, wenn der logische Geist langsam zurückkehrt und Einfluß nimmt, aber darunter noch dieses Gefühl des Unbegreiflichen, des Wandelns auf unsicherem Bodens, des fantastischen Abenteuers noch eine Zeitlang verbleibt, nachebbt und flutet, benommener Zustand des Unwirklichen. Dieses schwer begreifliche Fühlen diese andere Wirklichkeit ebenso klar verstanden zu haben, nur noch eine schwache Erinnerung zu der man sich hingezogen fühlt, während sie unaufhaltbar verweht. Aber der folgende Alltag hat ein Gleißen bekommen, beseelter als der Tag zuvor.

* es bleibt zu klären ob der Gesang nun tatsächlich dem Tim Kashers gleicht, oder ob dieser Eindruck nur daher rührt dass am Tag des Konzerts die Tourankündigung Herrn Kashers gelesen wurde.
* es bleibt nicht zu klären ob er wie der Sänger von Liberator klingt

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