Matze Rossi ::: Boysetsfire | 10.10.14 | UT Connewitz

Ein voller Abend. Ausverkauft. Voll von Menschen. Voll von Enge. Voll von guter, ehrlicher Musik, der erste Teil des Abends, wie man sie auch in einem guten, ehrlichen Diner zu #damngoodcoffee hören könnte. Voll von krachender, ehrlicher, Musik, der zweite Teil des Abends.

Kreutzundquer nach dem Abendessen rennend schlitternd restschwungvoll in das menschenvolle UT Connewitz auf dessen Bühne schon Matze Rossi mit seiner Gitarre steht und singt und spielt. Eine freie, sonor tragende Stimme, die sich von der mehr als üblichen Publikumsunruhe nicht beirren läßt und so alltägliche wie tiefe Gedanken schön in Melodien formt und teilt, so dass man auf ihnen treiben kann.

Ein Lied für einen verstorbenen Freund, er verläßt den Verstärkungskreis des Mikrofons und schafft es so zumindest weitgehend aufmerksame Ruhe in den Raum zu zimmern. Nach diversen vergangenen Vorbandtraumata hier und heute eine musikalische Einstimmung die kaum schöner, passender und sympathischer in den Abend leiten könnte.

Akustisches Set von Boysetsfire, nur der Sänger Nathan Gray begleitet von Chad Istvan auf der Gitarre, fesselt mit beeindruckend volltönend lauter dabei immer gesangssicherer Stimme, einer Stimme die einmal fast in Walzerkreisen durch ein Lied zu tanzen scheint, sich nie verliert, unfassbare Bögen spannt, Kapriolen schlägt und bannt. Ein so tiefer wie offen zur schau gestellter Hang zu romantischen Bardentum, choreografierte Gestik und zweifache Vocals, eingängigste Popmelodien die weit in jeden Sonnenuntergang tragen, und jede Boygroup weit auf abgeschiedene Plätze verweisen.

Bestgelaunte Ansagen zwischen den Liedern meist länger als die Stücke selbst, ein betrunkener fanatischer Huldiger der Band wird in gutgemeintem Humor herausgepickt und damit geehrt, dass sich die Band von einem ihrer letzten Auftritte an ihn erinnert. Oh goodness, you were so drunk, you really fucked up last time. Zu späterer Gelegenheit, als der Huldiger sich das Boysetsfire-Shirt von seinem Leibesumfang reißt wird er ebenso freundlich und noch sichtlich amüsiert, über die eigene Schlagfertigkeit ebenso wie über Verhaltensauswüchse menschlicher Spezies, ermahnt, You know, I really do like your shirt, but I like it on you.

Mit der charismatisch gentilen gaunrigen Ausstrahlung eines im o-Brother-Stil pomadisierten doch tätowierten George Clooney wird damit koketiert sich im Akustikset recht unsicher und schüchtern zu fühlen, und verschämtes Schielen auf einen Notenständer — von dem man nicht wirklich glaubt, dass er mehr als Requisite wäre und tatsächlich gedächtnisstützendes Material enthielte — gemimt.

Mehr und mehr der restlichen Band gesellen sich langsam mit auf die Bühne, der schlacksige blonde Gitarrist, der bärtige Bassist der auch die ein oder andere Ansage beisteuert, und dadurch irritiert, dass man das Gefühl hat er spräche durchaus deutlich und trotzdem versteht man kein Wort von dem was er sagt, und man kommt nicht dahinter mit welchem Zaubertrick an vielleicht leiernder Modulation er dieses Kunststück bewerkstelligt, und der Schlagzeuger, halten sich bereit für den Moment, in dem von der akustischen Einstimmung, mit dem Wegfegen des Notenständers das Signal gegeben wird, und alle sich verbunden durch Freundschaft und Spaß mit ungestümen Sprüngen und wildem Herausschlagen von Klängen aus ihren Instrumenten in einem einzigen Freudentaumel entladen.

Screamo-Posthardcore-Metalpunk der seit zwanzig Jahren besteht, im Zuhören und live Erleben nie langweilig wird, ansteckt, mitreißt, belebt und mit allem in der Welt versöhnt und die Band offensichtlich so jung und frisch und launig erhalten hat, wie sie es im fernen damals waren, so dass durch die seriös gealterten Vierziger in jeder laut herausgesungenen Gesangslinie, in jedem Sprung, in jeder Melodie und in den die Luft zersetzenden Gitarren- und Bassakkorden die zwanzigjährigen Jungs zu erkennen sind, die bereits vor Jahrzehnten Lebenssinn, Freude und Ruhepunkt in ihrer Musik gefunden haben. #damngoodhonestmusic

Szene in der Küche. Wir haben einen Stempel vom Baikaltrain am Handgelenk. Seltsam, kann mich nicht erinnern dass wir dort waren. Hmm, muss gut gewesen sein.

Kommentare
  1. admini · January 7, 2015 @ 21:02

    die wucht eines boysetsfirekonzerts beschaulich in b/w illustrierende bilder aus köln gibtes hier: http://www.getaddicted.org/artikel/items/fotos-boysetsfire-jubil%C3%A4um-misery-index-acoustic-koeln-2014.html.html

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