A Dead Forest Index | 5.11.16 | Akko

»brit pop mit sphärischen Einschlägen die sich zu Hymnen aufschwingen« (Mlle Mate)
– a fairy tale

Zwei sehr feine kleine Musikeinheiten im sehr kleinen und feinen Akko. In den Wartezeiten erklingt Jazz und Swing. Den Hummusspeisenden wurden soeben die Klapptische entzogen, und die Bar füllt sich mit Menschenbeinen. Doppelgänger und 80er wohin man blickt. Die Musik von Gemma Thompson, sehr ruhende, meditative Weltallklänge, darin manchmal ein ferner Hauch nach wildem Westen klingender Gitarre, doch nahe an der Grenze zur Illusion, ein Stromausfall, und nach Äonen wird alles von einer Schlagzeugkomposition durchbrochen.

A Dead Forest Index. Soundcheck. Eine Stimme hebt sich über die Köpfe und so etwas wie Stille breitet sich wie eine Welle durch das von den nahen Wänden verstärkte Gesprächsrauschen aus. Es ist das Innehalten im Alltäglichen wenn für einen kurzen Moment etwas zauberhaft schönes in das Bewusstsein geflattert ist. Dieses Gefühl das in Stephen Kings Shawshank Redemption beschrieben wird. Musik die aus einer anderen Sphäre in unsere materielle Welt herüberzuklingen scheint und ein die Welt verklärendes wie verdrängendes Gefühl von Transzendenz hervorruft. Nach wenigen Momenten verebbt es, und die unterbrochene Gesprächszeit setzt wieder ein.

Da der Versuch der Beschreibung der Musik bereits unternommen wurde (Konzert Chelsea Wolfe ::: A Dead Forest Index | 8.11.15 | UT Connewitz), sollen nun im Folgenden stattdessen wirre, zusammengestückelte, sich verheddernde und wiederholend kreisende Ausführungen über das Wesen der Musik als Immanation von Sehnsucht gegeben werden.

In der Name des Windes lernt der musikalisch überaus begabte Kvothe nach einem traumatischen Erlebnis mit seinem Saiteninstrument etwas anderes als Lieder zu spielen.

»Wenn der Sonnenschein das Gras wärmt und eine Brise einen kühlt, ist das ein bestimmtes Gefühl. Ich spielte so lange, bis ich dieses Gefühl auszudrücken vermochte. Ich spielte bis es klang wie warmes Gras und eine kühle Brise. … drei Tage [brauchte ich] bis ich der Wind dreht ein Blatt zu spielen vermochte.«

»Nach zwei Monaten vermochte ich die Dinge mit eben der Leichtigkeit zu spielen, mit der ich sie sah oder empfand: die Sonne geht hinter Wolken unter, ein Vogel an der Tränke, Tau auf dem Farngestrüpp.«

Die Musik von A Dead Forest Index scheint nicht so etwas dinglich Spezifisches auszudrücken, sondern eher als ob jedes Lied Sehnsucht wäre, Sehnsucht nach der Vergangenheit, nach Zukunft, nach dem Leben während man es lebt. Diese Art von Sehnsucht die einen zufrieden, ruhig, gelassen und glücklich macht, da sie so unbestimmt ist. Oder das Ziel der Sehnsucht so erhaben, dass man es gar nicht erreichen muss, sondern sich damit begnügen kann, sich danach zu sehnen, um schon glücklich zu sein. Die Sehnsucht an sich ist schon Bestimmung. Saudade. Krause Schwermut. Oder wie es Hr. Murakami über ein Klavierstück von Franz Liszt schreibt: »die grundlose Traurigkeit die eine ländliche Idylle im Herzen eines Menschen weckt«, und man fühlt, dass er darin etwas Schönes sieht. Über die spiegelglatte metallglimmernde Grundfläche aus verzerrt ferner Gitarre und Schlagzeug wringen sich keltisch zerbrechliche Stimmlagen, weltfern. A Dead Forest Index scheinen wie die englische Entsprechung dieser symbolistischen Seelenlandschaft, ihre Musik eine allumfassende, endlose Sehnsucht. So ruft die Musik Sehnsucht nach sich selbst vor. Sehnsucht nach Sehnsucht.

Nicht unvermerkt soll bleiben, dass dem, was für die Einen die alles umfassende Leichtigkeit und Schönheit des Lebens selbst ist, von Anderen eine gewisse Düsternis attestiert wird, und zu der Frage veranlasst wo denn die ganzen Grufties wohl abgeblieben sind, die eigentlich stereotyper Weise das Konzert hätten bevölkern müssen. Die Antwort in dieser herbstdunklen Nacht ist Placebo.

»Bis zum heutigen Tag weiß ich nicht, wovon die beiden italienischen Damen
gesungen haben. Um die Wahrheit zu sagen, ich will’s auch gar nicht wissen.
Es gibt Dinge, die müssen nicht gesagt werden. Ich will annehmen dass sie von etwas
so Schönem gesungen haben, dass man es nicht in Worte fassen kann und dass es
direkt ins Herz geht. Ich sage Ihnen, diese Stimmen sind höher gestiegen, als man je
an einem so trostlosen Ort zu träumen gewagt hätte. Man hatte den Eindruck als
wäre ein wunderschöner Vogel in unseren freudlosen Käfig gefallen und hätte die Mauern
zum Einstürzen gebracht, und für den Bruchteil einer Sekunde hatte jeder hier in
Shawshank das Gefühl, frei zu sein.«

2 Kommentare
  1. Alex · December 6, 2016 @ 09:24

    In der Stille tobt der Wirbelsturm, und in ihm ruht das sehende Auge. Oder so ähnlich :-)

  2. admini · December 6, 2016 @ 19:56

    :-)

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