Husky Loops ::: The Kills | 7.06.17 | Täubchenthal

fieser, gnadenloser Pop*

Das Täubchenthal ist angenehm mit Menschen gefüllt und im direkten Vergleich mit dem Haus Auensee einfach nur schnucklich klein. Wohlfühlgröße. Nach überlegendem Schlendergang oben auf der Galerie und unten durch den Saal fällt die Wahl des Standpunktes auf einen Platz weit vorne links außen, der unvermittelt ein Loch bis ganz vor die Bühne mit Stahlträgerlehngelegenheit offen lupft. Auf der Bühne werden diverse bodennahe Ventilatoren erspäht.

Husky Loops. Auf der neuen All Areas ist ein neues Lied von Franz Ferdinand** bei dem man nie und nimmer an Franz Ferdinand denken würde***. Aber Husky Loops klingen als könnten sie ein neuorientiertes, gitarrenkrachzugewandteres Franz Ferdinand**** sein. Blechernes Geschrammel, Fiepen, Knirschen, Knarschen, und noch verzerrtere Töne wechseln sich mit melodischen Gesangsmomenten und herben Riffs ab. Was an elektronischen Effektverzerrungen möglich ist, wird eingestellt, und ganze Songs in diesem Verzerrklang durchgespielt. Show Tunes. Crazy Tunes. Erinnerungen an Bul Bul, mit Ghinzu vermischt, im letzten Song könnte das Rohmaterial von System of a Down stammen, und in einem Lied stimmt der Sänger eine Art kontrolliertes Gackern in das Mikrofon. Metallwaleinsatz. Schrappende Slides. Druck. Dann geben wir alle diese Einzelzutaten nochmal in einen Mixer, und schalten ihn auf eine dieser Stufen die ein die Nerven zerlegendes hohes Schrappniergeräusch von sich geben. Ja, genau so! Hervorragend.

The Kills schlendern entspannt auf die Bühne, neben Jamie Hince »Hotel« und Alison »VV« Mosshart ein Schlagzeuger der beinahe die gleiche gepünktelte schwarze Bluse trägt wie Miss Mosshart, und ein Tasten- und Soundschnipselmann in kaugummikauender Chilligkeit, der hin und wieder auch zu e-Gitarre oder -Bass greift. Gefühlt wie mit einem Knall setzen gleichzeitig Instrumente und die Bewegung von Alison Mosshart ein, während die Ventilatoren rauschend hochtouren um das blonde Haar der Sängerin äußerst effektvoll zu zerzausen. Die Druckwelle dieses Knalls ergreift das Publikum, und gibt es über die Dauer des Konzerts nicht frei. Die Bühnenpräsenz von Alison Mosshart ist von der Art, dass man immer wieder kurz am Zweifeln ist, ob es sich bei ihr um eine reale Frau, oder um eine Materialisation ihrer Musik handelt. Von dieser Musik besessene, beseelte, abgehakte, stoppende, verzerrte, geschmeidige, leidende, lebensfreudige Tanzbewegungen, zu einem Stück drischt sie energisch auf zwei Standtrommeln ein, vor Glück über besonders schöne Gitarrenklänge oder einfach nur der Musik in jedem Moment an sich strahlend, und das von den strategisch auf der Bühne verteilten Windmaschinen aufgewirbelte blondierte Haar hebt sich in einem perfekten mitdrehenden Bogen, wenn sie herumwirbelt, während ihre Stimme durch die Stücke fliegt, flirrt, tänzelt und schwebt.

Es mag durch den Windzug der am Hemd zerrt hervorgerufen sein, aber in ihrer Präsenz und in ihrer Ausstrahlung erinnert auch etwas an Bewegung und Körpersprache von Michael Jackson. Und in den ruhigeren Momenten, insbesondere einem Stück, das so langvertraut scheint, dass die Vermutung nahe liegt, es wäre ein Cover, vielleicht von Bonny Taylor, und die Stimme an den samtsanften Klang der Sängerin der Ettes erinnert — baby says –, vermeint man zu erkennen, dass umwerfend mitreißende Energie und in sich ruhendes Glückserleben zwei silbern verschimmernde Seiten einer auf der Kante rotierenden Münze sind.

Jamie Hince ist der Gegenpart der dieser sprühenden Persönlichkeit Stand halten kann. Es ist ein bisschen als wären sie der Ozean und der Sturm. Er offenbart eine ähnlich lässige Coolness wie die »coolste Sau des Festivals« der Mark Lanegan Band, und zugleich aber auch zu jedem einzelnen Ton den es zu erzeugen gilt eine perfektionistische Hingabe und Freude, Griffwechsel in unsichtbarer Geschwindigkeit, verhallende Wabereffekte, und auch im Gesang wird das Mikrofon oft schnell an der Stimme vorbeigewischt. Vielfältige, griffige, vertrakte Melodien, pulsende Beats, alle Saiteninstrumente sind satt und wunderschön gestimmt, in einem der ersten Lieder fluppt immer wieder ein heller Klang aus zwei Saiteninstrumenten, wie ein tropischer Fisch der aus dem Wasser springt. Über dem schrammeligen und reich effektverziertem Klang, an den Riffs schlägt bisweilen schweres Metall an, gibt es immer eine federleichte, umspielende Oberlinie, es scheppert, schlirrt und groovt. In langgezogenen whooo-ooooohs verschweben Bestandteile des Gesangs ins Sphärische. Alles voller umwerfender und musikglücklicher Details.

In der Zugabe, verstärkte Akustikgitarre und ein nur von ihr gesungenes Lied, das hervorhebt was für eine klare und weiche Stimme die Sängerin hat, auf eine faszinierende Weise vollkommen ohne Ecken und Kanten, ohne langweilig zu sein. Für eine Gitarrenpassage die er am Boden sitzend spielt, setzt Alison Mosshart sich auf einer der Boxen und lauscht versonnen. Jamie Hince wendet sich einmal mit den Worten »we both don’t talk much, but we really want to say thank you to you all« an das Publikum. Darin wie sie in der Musik aufgehen, vor allem aber in diesen ruhigen Momenten sieht man es ihnen an … maybe an introvert world. Sie ist voller Leben.

Hammer Band. Hammer Frontmusiker. Hammer Stücke. Wie unglaublich perfekt ein derbes und großformatiges Rockkonzert in diesem feinen kleinen Rahmen erleben zu können. Das Konzert rauscht mit dem sich immer weiter steigendem No Wow seinem Ende zu, mit diesem sensationellen frappenden Drumcomputer, tief brummenden Bass, sich überschlagendem Gesang und … jeder Menge tschutschutschu. Bamm!

after show note. Portugal. The Kills. Sind nicht auseinanderzuhalten. Faszinierenderweise vor allem ! nicht am Gesang. Mind is melting. Zum Beispiel hier:

* manche nennen es auch Rock
** genau genommen handelt es sich um Mando Diao
*** der Unkundige auch nicht an Mando Diao. Wäre der Kundige anwesend gewesen, hätte er ausführen können, dass Mando Diao sich in beinahe jedem neuen Album in eine andere Richtung ausstrecken
**** durchaus trotzdem

noch Kommentarlos
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