Jaye Jayle ::: Emma Ruth Rundle | 3.12.17 | UT Connewitz

»wir durchfuhren geräumige Dunkelheit, wie der Philosoph William James es einmal nannte«*

(Robert Macfarlane, Alte Wege)

Der Weg führt durch ins Gesicht wehenden und wirbelnden Neuschnee mit einem kleinen Umweg ins UT. Zestglücklich sitzen wir schließlich an den seitlichen Sitzen, umfangen vom gemütlich wartenden Dunkel im sich zunehmend mit Menschen füllenden Saal, dessen Schönheit auch an diesem Abend ausgiebig und mehrmals gewürdigt werden wird. Umfangen von diesem heimeligen prä-Konzert-Gefühl, und der Frage, wie sehr vielleicht nicht nur Landschaften das eigene Leben und Selbstsein prägen, wie Robert Macfarlane es in Alte Wege beschreibt, sondern auch dieses gemeinschaftliche Gathering, Menschen die sich abends entspannt versammeln, um live Musik zu hören.

Jaye Jayle beginnen mit einzelnen, alles durchdringenden, schlagenden Tönen, die – beide mit Schlagzeug ausgestatteten Musiker zeigen sich im suchenden Blick mit dem Aufeinanderklacken von Holzstäben beschäftigt – von keinem der beiden Schlagzeuge kommen. Es ist der Bassist, der diese satten Schläge setzt, um die sogleich ein dicht durchdrängtes Klima aus an Nick Cave erinnernden Gesang, urgewaltigem Rhythmus, Schüttelklängen, triefendem Blues, und einem durch Musik und Mensch hindurchgehenden tief vibrierenden sirenenaufjaulendem Spezialgeräusch geschaffen wird, der Gesang zwischen nahezu geflüsterten Beschwörungen und daraus emporsteigenden Schreien wechselnd, die schwer auf allem lastende Spannung durchbrochen von kurzen Atempausen, in denen einzelne Instrumente etwas zurückweichen, und darin sanft eingestreuten weichen backing Vokals und meditativ anplingenden Klängen und Weisen Raum geben.

Ein klangdunkler Raum, erfahrbar, erspürbar, aus effektbeladenen Tasten, meist zweifach geschlagenem hypnotischem tribal-Beat, holzklackernden Stäben, Rasseln wie von Schlangen, besondere Klänge werden eingewoben, Muster, Sirenen, ein paar Geräusche aus Space-Fiction-Filmen, und vor allem immer wieder dieses herausragend beglückende Trommeln, an einer Stelle strandet der Gesang in ein runrunrun, eine Lautmalerei die sich der vergangenen Landschaft des amerikanischen Westens nahe stehender Musik wohl aufdrängt. Die Tasten des mit Gitarre umhangenen Sängers sind mit dunklem Holz ummantelt, die tragenden Melodien meist mit einer Hand auf die Tasten gespielt, von der anderen Seite der Bühne treiben die Töne aus den Tasten des zweiten Schlagzeugers entgegen. Eine silberne Schlangenkette auf der Zimbel des zentralen Schlagzeugers bewirkt ein einzigartig faszinierendes Geräusch. Ein wundersam beginnendes Stück, in dessen Wesen, Klang, Melodie irgendetwas an die erhebend schwere Auftaktmelodie von Shining erinnert, und in dem munter das Neuschneetreiben des Abends wirbelt.

Der Einstieg von Emma Ruth Rundle, die Töne fließen von den Saiten wie ein kleiner in der Sonne glitzernder Bachlauf über Kiesel. Ihre Stimme webt auf diese besondere Art ihre Melodien, ein Anschwellen, ein Zurückfließen, ein Aufbäumen, ein plötzlicher Sturm aus innerer Ruhe. Hallend, anrührend, wiegend. Ein brüchiger doch hingereichter Halt im unruhigen Wirbeln des Lebens. In den lauten Passagen mit den Jungs von Jaye Jayle ist es als würde Gischt über einen hinwegsprühen und einen die darauf folgende Welle untertauchen, durch einen hindurchgehen, und wie durch ein Wunder kann man weiterhin atmen, das Selbst geht in einem anderen Element auf. Ein bisschen so wie wenn man beschließt aufzuhören den ins Gesicht wehenden, Wimpern besetzenden und Augen benetzenden Schnee unangenehm zu finden, sondern einfach Teil davon zu werden.

Oben an der Balustrade, eine Zigarette glimmt für einen Zug.

Die Zugabe. Akustisch. Das Publikum aufmerksam still. Emma Ruth Rundle scheint im Singen besonders innerlich aufgewühlt. Jedes einzelne ihrer Lieder wirkt auf eine sehr nahbare Weise persönlich. Doch es geht wohl noch persönlicher. Das Lied an sich und die besondere Stimmung scheint einen Moment nahe an der Grenze dessen zu erschaffen, was ein Mensch anderen Menschen von sich geben kann, ohne dass sich alles was ihn schützend umgibt auflöst. I watch you sleep. I watch you fade. Nur ihre Stimme, zart und doch raumfüllend. Ihre Gitarre. Und ihr Menschsein.

And you sing to me, you say
I don’t want to be awake when it takes me
I can’t wait to see you smile on the other side
I can’t wait to kiss the face of the big sky
Won’t you stay here for a while with me
My child

————-
* und sich dabei laut Fußnote wiederum auf einen Ausdruck des deutschen Physiologen und Farbtheoretikers Ewald Hering bezog

noch Kommentarlos
Kommentar schreiben:

Der Kommentar muss möglicherweise erst freigeschaltet werden, bevor er hier erscheint ...