Galsan Tschinag ::: kennst Du die Sprache

… sich an Worten begeistern, bereichern, Erzählpfade, Abenteuer und Gedanken, Lebensrätsel, sprachliche Leidenschaft und Neugierde zu allem Wissen das ihm begegnet, wie er entfernte Situationen oder Dinge aufeinanderlegt und etwas Verbindendes darin entdeckt, eine beeindruckende Lebensschilderung, aus einer Zeit und einem Land verkameradschafteter Staatssysteme, Gesellschaftsbilder, die es nicht mehr gibt. Werte wie zum Stolz der eigenen Nation beitragen, und dieser irrsinnig wirkende Fleiß, wobei auch ein Stück weit nachvollziehbar, wie, wenn man einmal etwas gefunden hat, was einen glücklich macht und nicht mehr loslässt, wie es einem da immer mehr Energie gibt, und nicht weniger. Und vor allem die immer wieder aufglimmenden Sprachmomente, in denen er sondersames mit der Sprache macht, Begegnungen mit neuen Wörtern die einem sofort vertraut sind, Wörter mit Präfixen die bisher nicht miteinander bekannt waren. Und über den Worten Beschreibungen von Beobachtungen von Erkenntnissen und Verständnissen, Einsichten und Bewusstseinsmechaniken.

Schreiben von einem Selbst, das noch anfang zwanzig ist, … etwas was ich selbst vielleicht lieber nicht angehen würde … in vielem noch unwissend, beeinflusst von Ideen und Vorstellungen wie etwas zu sein hat, anstelle einfach nur zu sein. Und dabei kaum peinliche Situationen umschwimmend. Sternenhimmel, Jurten, stundenlange Reitstrecken von einer Feldforschung zur nächsten, Heizdung sammeln, Details aus der eigentlichen Feldforschung, eine Sprache die keine Schriftsprache besitzt hastig in Mitschrift irgendwie aufschreiben und nachts rekonstruieren, medizinisch reinigendes gegenseitiges Augen ausschlecken.

»… ~ .. Zeithügel, Zeitberge, Zeitwüsten, Zeitenmeere, – (Zeit über Landschaften. Metaphern hierfür wie Sand am Meer) – buchenswerte Ereignisse, der unlenksamste Laut, es blitzt durch seinen Kopf, Bilder wandern herzwärts, ungebildet heißt auch wenig verbildet, Hirngefäß, webt an seinem neuen Leben, er solle aufhören so scheißfreundlich zu sein, …

»Wohlgelaunt drehe ich das soeben gehörte Wort ein paar Mal im Mund,
als wäre es etwas sehr schönes und Nötiges, weil ich mir nun ein weiteres Wort habe verinnerlichen dürfen.«

… steinschwerer Schlaf, alles käme von der Allzunähe des Affen, jmd. im Namen der unverbrüchlichen mongolisch-vietnamesischen Freundschaft um etwas bitten, im sickernden Zeitpunkt unserer Erzählung, am abgleitenden Rand der Großstadt, durch Zeiten schlittern, etwas bevölkert Herz und Hirn, in die Bücherwelt eintauchen und dort nach Herzenslust schwimmen, etwas an dem Restnomaden der man noch ist abprallen lassen, seelenstill, Bewaldung wider Aufforstung – (ein so ausgezeichnetes, weiches, schattiges, wunderbares Wort) – von Natur aus geneigt sein, schnell panisch zu werden, frühlingsmorgensonnige und sommerabendmondige Schicksalsgefährten, mitten im rasenden und brandenden Lebensfluss, eine jede seiner Rollen ist ihm gleich ernst, und deren Quersumme bedeutet ihm den Ersatz der Religion, selbstwichtig, Selbstübungen, mittlerweile ist der Sommer verrauscht, leidenschaftliche Nichtraucher und Nichttrinker, leicht übersteigerte Neugier, Dauersalz auf der Gewissenswunde des erwachsenen Mannes, den eigenen Gedankenfluss gewaltsam stoppen, hierzuwelten, beruhigt aber immer noch unter den Nachwellen der Aufregung, stockkühler Wisch, zwei bunte, strömende und wimmelnde Schwärme von Menschen, noch bevor sie alle Füße in den Raum gesetzt haben, den peinlichen Gedankenstau in ihm durch manche Rillen ableiten, dem Himmel zuliebe der hierzulande nichts weiter ist als schwarzgrau verrußter Luftraum, ganz zu schweigen vom Wildschwein, das uns bisher nur einmal über den Weg gerollt, Wortherden, Papierbeschauer, überspannte Sinne, alkoholisiert, immer heftigeres Mitteilungsbedürfnis, im Gegenzug davon immer trägere Zunge, nachdem es wie alle Feste, sich allmählich selbst verbraucht, klangtolle Sprache, tagtäglich und stundesstündlich, seidener Augenblick, wieder und wieder über Gedankenhügel stolpern, Gedankenmaschen, sich jährende schwarze Tage, zu dem lichthellen Anfang des soeben versandeten Weges zurückeilen, Seelenjurte, Dungsammeln, durch diese so einfache, aber so schöne Beschäftigung wieder völlig in die Zeit seiner Kindheit eintauchen, …

»Ab nun darf jeder singen, wonach es ihm gelüstet.
Geldiiki ist der Erste der sich in die freigegebene, unsichtbare Weite der Gefühle hinausschwingt … alles andere als ein Sänger … aus jedem R wird ein L, doch sein Ehrgeiz scheint gewaltig – immer wenn man meint, er käme zum Schluss und das gepeinigte Lied gelange nun endlich zur Ruhe, da stimmt er mit seinem armseligen Gekrächze eine weitere Strophe an«

… ganz Ohr und Auge sein, Lautschlamassel, das betäubte Zungen liefern, in der Nacht streunen ganz verschiedene Gedanken durch seinen Schädelraum, einer mit dem mephisteuflischen Röntgenblick der Zukunft, dieser Gedanke, hier breiträumig ausgebreitet, dauert in Wirklichkeit nur den Bruchteil eines Lidschlags, doch zu seinem Schreck wirft sich der Darga wieder in Pose, um den zum Glück abgelegten Redefaden wieder aufzugreifen, sich im Sprachmeer abmühen, wohlduftendes und verhüllt verbrennendes, heimtückischen Nass, es ist jene Stunde eines windstillen, sonnenüberfluteten Frühherbstnachmittags, die der Volksmund Schäferschlummerweile nennt, unter seiner tiefsten Tiefe eine prickelnde Wärme und über seiner höchsten Höhe ein leuchtendes Licht sichten, kristallklarklare, im klatschfeuchten Europa den Geist hell und die Seele warm halten, Abtippen seiner wiedergefundenen Abschlussrede zum Studium, recht merkwürdige Aussagen gehen da ins Gedächtnis der Elektronik ein, im nun erwachsenen Mann, in dem jedoch, wie in jedem anderen menschlichen Wesen auch, das Kind ewig lebt, zurück zu jener Bucht im Zeitenstrom aus welcher ich abgetrieben wurde, Himmel-Feld-und-Forschung! …

»schaut hinauf zu den Hunderten und Tausenden von grell strahlenden, hell leuchtenden, still funkelnden, zahm flackernden, müde glimmenden Sternen. Ich schaue mit hinauf zu den glühenden Hundertschaften und Tausendschaften, die unsere groben Menschenaugen auszumachen vermögen, und versuche dabei, mein geistiges Auge zu öffnen auch für die Abermillionen und -milliarden, die in diesem Augenblick für uns zwar unsichtbar, aber mit Sicherheit existieren und ebenso flammenden und schäumend das All beleuchten und bevölkern und so es zu einem belebten, beseelten und begeisterten allgewaltigen Raum weben und heben. Diese Vorstellung … scheint aber meine Seelenlandschaft dermaßen auszudehnen und anzustrahlen, dass ich jene urheilige Ehrfurcht vor dem, von welchem ich mich umringt weiß, wieder mal tief in mir empfinde« .. ~ …«

(Wortherdencollage in teilweise leichten Wandlungen aus
Galsan Tschinag: kennst Du das Land)

… und betet einen Dank zum Himmel. Für alles was er bisher in seinem Leben erfahren durfte, vielleicht auch einfach nur für das Existieren an sich.

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