montaigne–florio ::: konstruktionszentren & ecken

Die ersten Ausgaben der Essais. »sie wechselten zwischen gegensätzlichen Standpunkten und flossen nicht dahin wie ein breiter, mäandernder Fluss der sich zu einem Delta verzweigt wie die späteren Essais; einige hielten sich sogar an das vorgegebene Thema«

»Montaigne selbst gibt zu dass die Titel seiner Kapitel in keinem klaren Zusammenhang zu deren Inhalt stünden: »oft bezeichnen sie ihn nur durch ein bestimmtes Merkmal.« Wenn kein logischer Zusammenhang ersichtlich sei, werde sich »in irgendeiner Ecke stets ein Wort finden.« In den Worten in der Ecke verstecken sich häufig seine interessantesten Themen. Montaigne bringt sie im Text genau da unter, wo sie den Fluss radikal unterbrechen, alles durcheinanderbringen und es dem Leser unmöglich machen der Argumentation zu folgen. … das einzig verbindende Element ist Montaigne selbst. … das Buch ist nicht nur monströs, es erhält seine Geschlossenheit einzig durch das, was bescheiden in den Hintergrund hätte treten sollen: das Subjekt Montaigne. Er ist das Gravitationszentrum der Essais …«

… sein erster Übersetzer in England, Florio, »mit weitschweifigen Widmungen die manchmal so verschnörkelt waren, dass sich selbst die Adressaten keinen Reim darauf machen konnten. … wie Montaigne konstruierte auch er immer kompliziertere Gedankengänge wie eine Spinne … während Montaigne sich immer weiter vorwärtsbewegt dreht Florio sich um sich selbst und verdichtet seine Sätze zu immer enger geführten barocken Windungen, bis sich ihr Sinn in einer komplizierten Syntax verflüchtigt. Der wirklich magische Funke entzündet sich nur dann wenn beide aufeinandertreffen: Montaigne und Florio.«

(Sarah Bakewell, Wie soll ich leben? – oder das Leben Montaignes
in einer Frage und zwanzig Antworten)

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