thoreauvian ::: vom Botanisieren auf und in den Abend blicken

»eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang war ich am Tupelo Cliff und als ich von meinem Botanisieren aufblickte … sah ich das Siegel des Abends auf dem Fluss. Der Landschaft wohnte zu dieser Stunde eine stille Schönheit inne, die meine Sinne zu schätzen bereit waren. Die Sonne ging am westlichen Ufer unter, wobei diese Seite schon zum größten Teil im Schatten lag, doch erhellten ihre Strahlen das Wasser und die Weiden und die Seerosenblätter mehr als zuvor … die Banalität des Tages ist vorüber. Die größere Stille, die Heiterkeit der Luft, ihre Kühle und Transparenz, sind für das Denken günstig. (Der nachdenkliche Abend.) Die Kühle des Abends kondensiert allmählich den Mittagsdunst und macht alles durchscheinend und die Umrisse der Gegenstände fest und deutlich und rein … ebenso wie ich durch mein Bad gekräftigt wurde, bin ich beherrschter im Denken. Nach dem Baden, sogar mittags, verwirklicht der Mensch ein Morgen- oder Abendleben. Die Abendluft ist solch ein Bad für Geist und Körper gleichermaßen. Wenn ich den ganzen Tag vergebens unter der sengenden Sonne gegangen bin und die Welt – Feld und Wald und Straße – ganz banal war, dann legt sich abends die Sonne im Westen nieder, und mit ihr legt sich der Wind, und der Tau beginnt die Luft zu reinigen und sie durchscheinend zu machen, und die Sehen und Flüsse gewinnen eine gläserne Stille und spiegeln den Himmel, Reflexion des Tags. … verlockend ist die Linie wo Wasser und Land sich treffen, die nicht deutlich ist, von deren Existenz man aber weiß … wie üppig ist der Schauplatz dieses Flusses, gleich dem was wir gern über die südamerikanischen Urwälder lesen! Welch prächtiges Wachstum von Kraut, welche Tiefe des Schlamms an seinen Ufern! Diese alten vorgeschichtlichen, geologischen, vorsintflutlichen Felsen: nur urtümliche Watvögel, die immer noch unter uns weilen sind würdig sie zu betreten.

Die Jahreszeit die wir in Vorahnung zu leben scheinen, ist gekommen.

Das Wasser spiegelt in der Tat den Himmel deswegen, weil mein Geist ihn spiegelt …«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch III)

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