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Algiers | 28.02.18 | UT Connewitz

Kunst am Boden. Der Saal des UT noch weitgehend leer. Besprühte Leinwände.

Ein Konzert-Date mit Dame Luisenbach. Plausch vor dem Konzert in den unbequem Seitenklappsesseln, von winterlichen Jacken behangen. Vorband Jupiter C erinnert durch wohl inszenierte Trash-itude an Princess Chelsea, ein beat-schwerer Bogen aus repetitiver elektronischer Trance der in vagen Schlummer versetzt. Atmosphärisch Orientierung an Twin Peaks. Und ein Stück das wohlig an diese unglaubliche Drumstrecke von Chelsea Wolf erinnert.

Benommen stehen wir auf und nehmen einen Platz irgendwo mittig ein. Durch diverse live-Videos vor Freude und vorbereitet für Algiers. Und doch … die Wucht mit der einen der Beginn des Konzerts trifft. Die ungestüm pfeifende, fauchende und elektrisch aufgeladene Energie. Ein Orkan. Und was alles in ihm herumwirbelt. Soundschnipsel, Zerrgeräusche, nach vorn drängender Beat, der Tonus jedes einzelnen Stücks unter Spannung, die sich auf die Sinne überträgt, an der Aufmerksamkeit zerrt, Sein vor der Entladung eines Sommergewitters im Winter, Tanzbarkeit, ein Viertel blocparty-Nostalgie, in Drums Matt Tong, doch weiter, mehr, unaufgeräumter, sich überschlagende, überlagernde Gesangparts, die an anderer Stelle weich auffangen oder einen umschweben wie ein Wiegenlied, weitfassendes Instrumentarium der Stimmen im Backgroundchor, Brummen, lautes Rufen, überschlagen, Schreien, Summen, Pfeifen, Erinnerung an ein möglicherweise eingebildetes dschungelhaftes Kreischen, in jedem Stück andere Worte, Klänge, Laute, die alle ihren spezifischen Effekt erwirken, die Silbenklänge der Echostimmen, wahumm, Zeit wird gedehnt und zersetzt, zerdrillt und gestaucht, Postrock, Industrial, Soul 21.0, eine Kuhglocke?, Kirchturmläuten, aufbrausendes Schellenrasseln, Klapperschlangensignale, Ohrwurmmelodien, Loops, Groove, Geschwindigkeit und relatives Ruhen, …

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Traumthesen ::: gedanken gefühle träume gewichten

»… wie viel davon wiegen die Gedanken? Ist ein Kopf schwerer wenn er viele Gedanken enthält? Fällt es deshalb einem traurigen Menschen schwer mit erhobenen Kopf herumzulaufen. Oder einem Professor? Oder jedem Menschen der aus irgendeinem Grunde viel grübelt? Der unabsichtlich oder absichtlich unter die Oberfläche gelangt? … sind sie schwerer oder leichter als die Gefühle? Oder die Träume? Wenn wir ihn nicht fragen können wir nicht wissen, was die Motivation eines fremden Menschen ist. Und wir können auch bei einem toten Menschen niemals sicher sein.«

(Satu Taskinen, Kinder)

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PGI ::: erschrecken messen

Zuhause bei den jungen Humboldts. Physikunterricht bei Marcus Herz, eine hoch aufschießende Flamme. »Ein halbes Gramm, sagte er, zwölf Zentimeter hoch die Flamme. Wann immer einen die Dinge erschreckten, sei es eine gute Idee sie zu messen.«

(Daniel Kehlmann, die Vermessung der Welt)

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taxonomisch ::: konzepte schrubben

»Wir sind auf uns selbst gestellt. Wie sind unser einziger Beobachter. Wir schrubben unsere Konzepte, um unseren ästhetischen Ansprüchen zu genügen.«

(Andrea Grill, Schmetterlinge)

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thorouvian | m.o.n.d. ::: lunares theater

… mit einem Fernglas gen Mond, zum Klang von Fröschen und Akkordeon aus einem nahen Saal …

»Ich bin sicher, dass der Mond in einer menschlichen Atmosphäre schwebt. Es ist nur ein ferner Schauplatz des Dramas der Welt; ein weiträumiges Theater, das die Götter uns geschenkt haben, und unsere Handlungen müssen es ausstatten. Mehr Meer ist hier, und Land, Berg und Tal – ein fernerer Westen, eine Frische und Wildheit auf Vorrat, wenn alles Land geläutert sein wird. Ich sehe drei kleine Seen zwischen den Hügeln nahe ihrem Rand, und sie spiegeln die Strahlen der Sonne … ich meine die Rippen der Geschöpfe zu sehen. … so viel ist zwischen mir und ihnen. Es ist dort vielleicht Mittag und Schiffe liegen im Himmel vor Anker oder segeln auf den Meeren, und dort ist Lärm auf den Straßen, und in diesem Licht oder in jenem Schatten sinnt eine ruhige Seele.

Aber jetzt fliegen Käfer über seine Scheibe und bringen mich zurück zu Erde und Nacht.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch I)

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thoreauvian ::: so fließt das Leben eines Menschen

»Mein Leben wird auf niemanden warten … wie der Bergfluss wird es sein eigenes Bett graben, das auch durch die längsten Bergketten und flache Prärien letztlich nicht vom Meer ferngehalten wird. So fließt das Leben eines Menschen und wird das Meerwasser erreichen.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch I)

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Traumthesen ::: das Gehirn passt sich an

»als ich aufwachte … mein Kopf war halbwegs aufgeräumt. Viele der neuen tags zuvor aus allen Richtungen auf mich einstürzenden Ideen, Ereignisse, Personen, Bilder waren verstaut worden, wie Blätter, die man aufgerollt und in Sortierfächer gesteckt hatte. Wirklich erledigt war natürlich noch nichts. … doch in der Zwischenzeit hatte mein Gehirn sich verändert und auf die neue Form meiner Welt eingestellt. Ich vermute, dass wir deshalb nichts anderes tun können, während wir schlafen: das ist die Zeit in der wir am härtesten arbeiten.«

(Erasmas in: Neal Stephenson, Anathem)

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thoreauvian ::: zerstreut beschäftigt über Ablenkung und Vergnügen

»Auf der Straße werden wir am häufigsten abgelenkt, aber Vergnügen haben wir in unseren Zimmern. … Wir können von einem Vergnügen abgelenkt werden, und durch eine Ablenkung Vergnügen haben. Oftmals wird eine Ablenkung zu unserem Vergnügen und unser Vergnügen zu unserer Beschäftigung.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch I)

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auf alten Wegen ::: auf sich selbst zurückfallen

Ein spanisches Palindrom das es in sich hat »la ruta nos aportó otro paso natural – der Pfad führt uns zum natürlichen nächsten Schritt.«

Und noch mehr hat es in sich, was Hr. Macfarlane dazu zu sagen hat »Die chiasmische Struktur verdeutlicht auf kluge Weise die Transformation, die der Pilger durchläuft, wenn er zu seinem Ursprung zurückkehrt und sein Geist wieder auf sich selbst zurückfällt. Er bleibt scheinbar unverändert und vollzieht zugleich einen tiefgreifenden Wandel.«

(Robert Macfarlane, Alte Wege)

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Jaye Jayle ::: Emma Ruth Rundle | 3.12.17 | UT Connewitz

»wir durchfuhren geräumige Dunkelheit, wie der Philosoph William James es einmal nannte«*

(Robert Macfarlane, Alte Wege)

Der Weg führt durch ins Gesicht wehenden und wirbelnden Neuschnee mit einem kleinen Umweg ins UT. Zestglücklich sitzen wir schließlich an den seitlichen Sitzen, umfangen vom gemütlich wartenden Dunkel im sich zunehmend mit Menschen füllenden Saal, dessen Schönheit auch an diesem Abend ausgiebig und mehrmals gewürdigt werden wird. Umfangen von diesem heimeligen prä-Konzert-Gefühl, und der Frage, wie sehr vielleicht nicht nur Landschaften das eigene Leben und Selbstsein prägen, wie Robert Macfarlane es in Alte Wege beschreibt, sondern auch dieses gemeinschaftliche Gathering, Menschen die sich abends entspannt versammeln, um live Musik zu hören.

Jaye Jayle beginnen mit einzelnen, alles durchdringenden, schlagenden Tönen, die – beide mit Schlagzeug ausgestatteten Musiker zeigen sich im suchenden Blick mit dem Aufeinanderklacken von Holzstäben beschäftigt – von keinem der beiden Schlagzeuge kommen. Es ist der Bassist, der diese satten Schläge setzt, um die sogleich ein dicht durchdrängtes Klima aus an Nick Cave erinnernden Gesang, urgewaltigem Rhythmus, Schüttelklängen, triefendem Blues, und einem durch Musik und Mensch hindurchgehenden tief vibrierenden sirenenaufjaulendem Spezialgeräusch geschaffen wird, der Gesang zwischen nahezu geflüsterten Beschwörungen und daraus emporsteigenden Schreien wechselnd, die schwer auf allem lastende Spannung durchbrochen von kurzen Atempausen, in denen einzelne Instrumente etwas zurückweichen, und darin sanft eingestreuten weichen backing Vokals und meditativ anplingenden Klängen und Weisen Raum geben.

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Mogwai | 2.11.17 | Täubchenthal

… ein möglicher Eintrag ins dictionary of obscure sorrows: mogwai: moments that are quiet, humble, thoughtful, touching, lucid, precise, full of melancholy, light, darkness, energy, mind drifting, soulful, blowing, thundering … all and everything at the same time. Their beauty is overpowering your self, the you vanishes in these moments. … this is mogwai

Das fürsorgliche Angebot des Täubchenthals bereits ab achtzehn dreißig Einlass zu gewähren, um lange Einlasswartezeiten zu minimieren, scheint in der winterzeitdunklen Nacht die niedrig über der weiten backstein- und holzwandumsäumten Teerfläche liegt, von vielen nicht wahrgenommen worden zu sein. Eine Warteschlange schlendert und trippelt gemütlich und in gelassen erwartungsfroher Stimmung dem Eingang zu. Innen der Geruch diverser auf niedriger Stufe Atmosphäre generierender Nebelmaschinen und ein hauchfeines Partikelwabern in der Luft durch das viele Menschen ihre Spuren ziehen. Zur Bar, zur Garderobe, Platz suchen unten, linke Bühnenseite, rechte Bühnenseite, Mitte scheint bereits undurchdringlich, nach oben, Klangcheck, nach unten nochmal vergleichen, wieder nach oben, eine glückliche Spannung liegt im Raum.

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thoreauvian ::: musik schielt unter die lider der zeit

»Die gesamte Romantik meiner jugendlichsten Antriebskraft ist in Musik enthalten. Wie in unserer Kindheit sind wir von Himmel umgeben. … Musik verwandelt meine einzige wirkliche Erfahrung in einen Traum und lässt den Glauben so dehnbar werden, dass nur das Unglaubwürdige ihn befriedigen kann. … sie ist ein ungelebtes Leben, ein Leben jenseits des Lebens, worin schließlich meine Jahre vergehen werden. Ich schaue unter die Lider der Zeit.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch I)

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thoreauvian ::: knirschen der erdachse & gerassel der träume

»Wir können uns vorstellen, dass dieser Wirrwarr von Philosophie – Literatur und Religion – der auf den Kanzeln – in Vortragsälen und Salons zu hören ist – durch das Universum tönt – und ein so allumfassendes Geräusch ist wie das Knirschen der Erdachse. – Doch wenn ein Mensch schläft, wird er das alles zwischen Sonnenuntergang und -aufgang vergessen. Das ist das drei Zoll weite Schwingen eines Pendels im Schrank. – Das der große Puls der Natur deutlich und in jedem Augenblick erbeben lässt. – Wenn wir unsere Augenlider heben – und unsere Ohren öffnen – verschwindet er – mit Rauch und Gerassel, wie die Waggons auf dem Gleis.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch I)

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thoreauvian ::: walden pond und vor sich hin wesen

»Seine Geschichte west im Dahingleiten seiner Wogen, in den gerundeten Kieseln an seinem Ufer und den an seinem Rand gewachsenen Kiefern. …

… er ist nicht müßig gewesen, obwohl er so sesshaft ist wie Abu Musa – der sagt, dass »still zu Hause zu sitzen der himmlische Weg ist. Das Hinausgehen ist der weltliche Weg«.
Doch ist der Teich durch sein Verdunsten und auf tausenderlei unvorstellbaren Wegen so weit gereist wie irgendwer sonst.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch I)

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thoreauvian ::: waldgesellschaft

»Gesellschaft scheint sehr natürlich und einfach — kann ich nicht einfach unter Menschen spazieren wie im Wald? Ich werde überall mit sanften Blicken und Worten begrüßt und es kommt mir vor, als würde die Dachrinne triefen und ich hörte rings um mich das Rauschen schmelzenden Schnees.

… meine letzte Bastion ist der Wald.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch I)

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