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EF | 25.08.16 | Naumanns

Jævlig varmt er det, her i himmelen

Es mag eine weite Strecke im Jahreslauf gedauert haben, doch eines Abends geschieht der perfekteste Sommerabend den es geben kann. Nicht kalt, alles ist von sanft heruntergekühlter Luft umgeben. Der Biergarten am Felsenkeller liegt wohlig ausgereckt auf bereits blättrig raschelnd bedecktem Boden unter den Bäumen. Herr K. reizt wieder das Kombinationsspiel mit Bestellung, Einlass und verrinnender Zeit bis ins Letzte aus, doch jeder Anflug von Unruhe und nervöser Erwartung wird in der entspannten Sommerabendlaune aller umgebenden Biergartenkulturteilnehmer sogleich verweht.

Nach erfolgreichem Abschluss der Nahrungsaufnahme auf Zeit schlendern wir, stolpernden Wurzeln weichend, wieder zu den Treppen vor dem Einlass, erwartungsfroh was als Vorband gegeben wird.

Dort treffen wir auf den Institutsleiter und Dame C., die dicht an dicht mit anderen Treppenstuflern vor dem vom Gesprächsrauschen summenden und vibrierenden Eingang lehnen. Wie nett, sie warten auf uns, dabei hätten sie doch auch schon reingehen können. Noch ganz im Biergartenflair und Zauber des lauen Sommerabends gefangen, dringen die eröffnenden Gesprächsinhalte nur langsam zu mir. In seinen gewohnt fulminanten Geistessprüngen fantasiert und webt der Institutsleiter nahezu ohne Begrüßungszeremoniell wie im Wahn ein Parallelwelt-Gespinst, von Sauna-Aufgüssen auf der Haut der spielenden Band, alles umwringenden Nebeldunst, zischenden Siedewasserklängen auf High-Hats und Zimbeln, alle Konzertbesucher in Handtücher umwickelt … wie immer begeistert von der überbordenden vor nichts Halt machenden und auch vor keinem Sujet aus Ehrerbietung zurückschreckenden Vorstellungsmacht des werten Kollegen, bin ich doch auch etwas aus dem Tritt gebracht, und es scheint, nur die Hälfte dessen was er uns nahebringen will, schwappt an mein Bewusstsein heran, das sich auch halb mit dem bevorstehenden Vertrautmachen eines noch unvertrauten Konzertraums befassen muss, und überdies plötzlich mit der Sortierung von weiteren drängenden Fragen abgelenkt ist. Wir haben die Vorband verpasst? Wieso stehen alle draußen? Und was mag dem Kollegen nur widerfahren sein, das ihn so aufwühlt? Sollte ihm die sicherlich fiebernde Stirn vermessen werden? Und wieso klären wir das im Weiteren nicht drinnen? Er scheint mir wie jemand, der etwas sehr wichtiges mitzuteilen hat, doch es aus unerfindlichen, sicherlich ins Tiefenpsychologische reichenden, Gründen, einfach nicht direkt auszusprechen vermag.

Ich nicke ihm noch einmal aufmunternd und wie ich hoffe bestärkend zu … dann betreten wir den Raum, die Zeit bleibt einen Moment stockend und wie nach Luft japsend stehen. Luft mit Persönlichkeit. Es ist ja neblig, dunstig und heiß wie in einer Sauna hier drin!

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PGI Expeditionsbericht & Trivialnotizen | España del Norte | 18. bis 28. September

Keine Postkarten! Keine Bilder.

Albatrosse!

Von einer Einzelerkundung in das östliche Wanderpfadgebiet kehrt der Institutsleiter aufgeregt zurück und erwähnt beiläufig er habe auf den Felsen Albatrosse, diese majestätischen Vögel der Meere, bei der Jagd beobachten können. Ich muss zugeben mir wurde nicht wenig weh ums Herz, dass mir diese Vögel bei meiner vorangegangenen, sehr aufs Botanische konzentrierten, Erkundung entgangen waren. Wir beschließen nochmals zusammen zu den Felsen zu gehen, doch tags darauf sind keine Albatrosse zu sehen. Sammeln dafür steinzeitlich hämmernd Gesteinsproben in den Felsen. Der Institutsleiter birgt unter anderem ein kleines porzellanbeigeweißes Stück Koralle und einen Stein auf dem drei längliche, abgebrochene Korallenstücke zu sehen sind, die im inneren vollständig durch Quarzkristalle morphologiert wurden. Äußerst bemerkenswert!

Abends beschließt die versammelte Institutsmannschaft aufgrund der aufsehenerregenden Sichtung das ohnehin reichlich vorhandene Wissen über Albatrosse (Diomedeidae) weiter zu vertiefen. Der Institutsleiter zitiert aus der einschlägig bekannten und fachlich meistgenutzten Wissensquelle Wikipedia. Wir vernehmen begeistert dass die Albatrosse der Familie der Röhrennasen (Procellariiformes) angehören. Zu dieser Familie gehören übrigens auch die von mir seit der Azorenreise sehr geliebten Gelbschnabel-Sturmtaucher (Calonectris diomedea), wie ich hier hocherfreut ob der unverhofften Wiederbegegnung anmerken darf. Weiter wird berichtet dass von den 21 Arten 17 in den südlichen Ozeanen vorkommen, drei im Nordpazifik und eine in den Tropen …

»… Albatrosse können Flügelspannweiten von über 3,5 Metern erreichen und übertreffen damit jede andere lebende Vogelart. Auch die kleinsten Vertreter der Familie haben noch Spannweiten von zwei Metern. Mit einem Gewicht von bis zu 12 Kilogramm gehören Albatrosse zu den schwersten flugfähigen Vögeln überhaupt.

Verbreitung und Lebensraum. Der Großteil der Arten lebt über den Ozeanen der Südhalbkugel. Dort kommen sie vor allem auf verschiedenen Inseln wie Falkland, Macquarieinsel, Crozetinseln, Prince-Edward-Inseln und Südgeorgien vor, daneben bilden sie vereinzelte Kolonien in der Antarktis. … Im Nordatlantik und seinen Nebenmeeren gibt es für gewöhnlich keine Albatrosse; … Stürme führen allerdings dazu, dass Albatrosse auch auf die Nordhalbkugel verschlagen werden. Da sie ohne Wind nicht flugfähig sind, können sie anschließend die äquatorialen Kalmen nicht mehr überqueren und verbleiben so oft mehrere Jahre auf der »falschen« Halbkugel. Zum Beispiel war ein Schwarzbrauenalbatros von 1972 bis 1987 alljährlich auf den Shetlandinseln zu sehen. … Albatrosse meiden normalerweise die Küstennähe, und das feste Land suchen sie ausschließlich zum Brüten auf. Sie können Tausende Kilometer weite Wanderungen unternehmen und sind somit auch fernab jeder Küste zu finden. Als Brutplätze dienen meistens kleine Inseln mit grasbewachsenen Hängen. Felsige Steilküsten bieten dagegen wegen der Start- und Landeschwierigkeiten ungeeignete Bedingungen für Albatrosse. …«

Ich möchte festhalten dass die Beobachtung des werten Kollegen durch diese Informationen keineswegs geschmälert oder sogar unwahrscheinlich wird. Im Gegenteil. Gerade durch die extreme Unwahrscheinlichkeit Albatrosse an einem Felsen der spanischen Nordküste zu beobachten, ist die Sichtung dieser imposanten Geschöpfe der Lüfte von noch fantastischerer, immens bemerkenswerter, Bedeutung!

Das Abendessen erfreut alle Teilnehmenden durch die pikante Pimientos de Padron-Lotterie. Erstaunlicherweise gelingt es Dame C mit Leichtigkeit aus den letzten vier Pimientos den Hauptgewinn zu ziehen. Zum Glück hält die Institutsapotheke für solche Gelegenheiten galizischen Kräuterlikör (Ruavieja, Licor de Hierbas) bereit.
Nächtens tummeln sich diverse Institutsmitglieder auf dem Strand, versuchen sich in unverwackelten Nachtaufnahmen, patschen durch das Wasser, lassen sich von plötzlich vereinzelt weiter heranrollenden Wellen die hochgekrempelten Hosenbeine benetzen und sind alles in allem quietschfidel, ausgelassen und munter, oder auch gerne verträumt und nachdenklich während sie in die weißbeschäumte Dunkelheit blicken.

Der Institutsleiter formuliert die These vom Tag- und vom Nachtstrand.

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thoreauvian ::: Stille

»Wie die wahrste Gesellschaft sich immer mehr der Einsamkeit nähert, so verfällt die vorzüglichste Rede schließlich in Schweigen. Wir gehen umher, um Einsamkeit und Stille zu finden, als weilten sie nur in fernen Bergschluchten und in Waldestiefen und wagten sich aus diesen nur um Mitternacht hervor. Wir sagen, Stille herrschte, bevor überhaupt die Welt geschaffen wurde, als habe die Schöpfung sie verdrängt und wäre nicht ihr sichtbarer Rahmen und Hintergrund. Sie geruhe nur in Lieblingstälern zu verkehren, das denken wir, und nicht das wir sie mitnehmen, wenn wir uns dorthin wenden … Denn wo der Mensch ist, da ist auch Stille.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch I)

… Wolken, Wiese, Wind — Stille

»Es ist müßig für mich die Stille zu deuten … eine Weile kann ein Mensch zuversichtlich so weitermachen und denken er habe sie im Griff und wird sie eines Tages erschöpfen, doch am Ende muss auch er still sein, und man wird nur bemerken welch wackren Anfang er machte; denn wenn er schließlich eintaucht in sie, ist das Missverhältnis zwischen Gesagtem und Ungesagtem so gewaltig, dass das Erste nur als die Blase auf der Oberfläche dessen erscheinen wird, in dem er verschwand.«

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PGI | Communiqué hymenopterie

Kollegen!

es mag sein dass die Abt. PGI Wald es bisher obsäumt hat von den neben uns ins Dachgeschoss eingezogenen Nachbarn zu berichten. Anlässlich des gesternächtlichen Besuchs eines dieser Nachbarn — er hat so unangekündigt wie nonchalant durch das geöffnete Fenster unsere Wohnung aufgesucht — möchte ich dies nun nachholen. Es handelt sich bei der nebenan siedelnden Großfamilie um Vertreter der Ordnung Hymenoptera, Art Vespa crabro. Dies habe ich später herausgefunden, obwohl der neue Nachbar es versäumte sich vorzustellen. Leider ist es aufgrund unzureichend im www zur Verfügung stehenden Bildquellenmaterials bisher nicht möglich gewesen die Varietät der Nominatform eindeutig festzulegen. Vespa crabro Linnaeus, 1758 oder Vespa crabro germana Christ, 1791.

Die während des Besuchs aufgenommen Kommunikations- und Kontaktversuche haben sich leider als komplizierter herausgestellt als man bei zwei so geselligen Spezies annehmen möchte. Der Besucher hat sowohl Kaffee als auch Kuchen oder Schnaps abgelehnt.

Weiterhin wollte er sich auch nicht vermessen lassen. Daher bin ich auf eine grobe Einschätzung durch Augenmaß angewiesen, etwa 3 cm lang und 1 cm »dick«. Weder Gewicht noch Brummamplitude konnte im kurzen reconnaître aufgenommen werden, was durchaus auf eine gewisse Hymenopterie der überrumpelten Gastgeber zurückzuführen ist.

Hingegen wollte uns der Besucher beständig zu einem Tänzchen auffordern das darin bestand dass er laut brummend auf uns zuflog, dabei eine gewissen Planlosigkeit, ja Unberechenbarkeit simulierend, und wir spielerisch Fluchtverhalten vortäuschend davonhüpften.

Wir haben ihm sodann gestattet sich solange es ihm beliebte es sich allein in unserem Wohnzimmer bequem zu machen, wohin wir ihn durch aktivierte Lichtquellen gebeten haben Platz zu nehmen. Was er zuerst durchaus gerne anzunehmen schien, es irgendwann jedoch ohne einen Ton des Abschieds verlassen hat.

Auch wenn dieser erste Kontaktversuch kurz und nicht ohne kommunikative Barrieren war, so liegt ihm doch wie jedem Anfang ein vielversprechender Zauber inne.

Ich verbleibe, noch mit einem gehörigen Schuss wissenschaftlichen Adrenalins in meinen Adern,
M

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PGI, Hornissenbeobachtungsstation ::: dämm it, steal it

»Hornissen schlafen übrigens so gut wie nie. Doch es gibt ein rätselhaftes Verhalten: Ungefähr 20–25 mal pro Nacht verfällt das ganze Volk von der Königin bis zur Arbeiterin in eine Art Tiefschlaf auf Geheimkommando. Die Tiere halten dann einfach an und bewegen sich für etwa eine halbe Minute nicht. Nach dieser kurzen Pause geht’s weiter, als wäre nichts geschehen.« (hornissenschutz.de)

… booting process of vespa crapro is active, please wait …


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Sprachfund ::: autologische Vergänglichkeit

»›Neologismus‹ (Wortneuschöpfung) war einst ein autologisches Wort,
ist es aber heute nicht mehr.«
https://de.wikipedia.org/wiki/Grelling-Nelson-Antinomie

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PGI Expeditionsbericht & Trivialnotizen | España del Norte | 18. bis 28. September

Keine Postkarten! Keine Bilder.

Noja — the Area is secure

Wir sind in Noja angekommen. Einem kleinen ganz und gar zauberhaften Badeort östlich von Santander, mit Kletterfelsen am Strand, wunderbarer an den Alpinensteig erinnernder Botanik, einem Küstenwanderweg, und in der Sonne funkelnden und flirrenden, und in der Ferne im Dunst verstiebenden Surferwellen. Noja befindet sich in einem etwas surreal wirkenden Nachsaisonschlaf. Nach und nach erst stiehlt sich diese Beobachtung ins Bewusstsein. Wir scheinen nahezu die einzigen Gäste zu sein. Die meisten Gebäude haben ihre Rolllädenlider bereits heruntergezogen. In diesen zahllosen Ferienapartments die uns durch ihren eigenwilligen, an gewisse belgische Bauten erinnernden, doch sehr variantenreichen Stil erfreuen. Sind vom Baustil tief beeindruckt und taufen ihn Bauhaus der 70er. Der sehr wohnlich und freundlich und nicht sozialistisch anmutende Komplex in dem wir uns befinden, und der sich durch seine Verschachtelung, freiliegende Wendeltreppen, enge Gänge, unterschiedlichste Blickachsen, und nicht zuletzt seine an französische Dörfer erinnernden dunkelgrünen Fensterläden als perfekte CoD-Karte anzubieten scheint, wirkt verlassen. Die meisten supermercados haben für dieses Jahr dicht gemacht. Wir befinden uns meist zur frühnachmittäglichen Unzeit im Ort, an dem ohnehin alle Geschäfte geschlossen haben, nichtsdestotrotz ist augenfällig dass es nirgends Postkarten zu erwerben gäbe, selbst wenn geöffnet wäre. Nach einigen Spaziergängen durch die Stadt vermerkt Herr Walte, es ist ein Ort, wie aus dem Buch der seltsamsten Orte der Welt. Er existiert und scheint zugleich nicht zu existieren. Wir sind in einer sonderbaren Zone des Nirgendwo. Doch wie wunderbar dieses spezielle zauberhafte Nirgendwo mit nur wenigen Menschen teilen zu müssen.

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… auf dem Marktplatz, es steht noch das Zelt des an diesem Wochenende gefeierten Oktoberfestes, er ist umsäumt von uns in den Bann ziehenden, in ihrer Architektur sozialistisch wirkenden Häuserfronten, Dame C. und T.h.e.o. verlassen gerade den Spielplatz, hinter dem sich die nüchterne Architektur entlangzieht … | … | … sowie weitere Beispiele für die Feriensiedlungsarchitektur Nojas; unter vielen »se vende« Beschilderten befindet sich ein besonders schönes Exemplar, dessen Name auf dem Schild des Eisenzauns »Villa particular« heißt, und das vollständig in dunkelfiesgrüne Fliesen gekachelt ist, die ins Schwarze changieren … | … | … weitere erwerbbare Objekte sind in den zahllosen Immobilienschaufenstern zu bewundern. Wir einigen uns schnell auf ein für 70 000 Eur zu habendes Apartment, das mit dem Foto einer unerreicht trist anzusehenden Betonterrasse, auf der ein einsamer Plastikliegestuhl gestrandet ist, beworben wird … | … | … im Gegensatz dazu gibt es spätmittelalterlich filigran gebaute Palazzi zu bewundern, die von weiten grünen Gärten gesäumt sind; in einem der gerade von einem Baugerüst umgeben ist, steht eine prachtvolle Norfolktanne (Araucaria heterophylla)! Sowohl die Palazzi als auch die meisten Apartmentansammlungen sind von Natursteinmauern umgeben; im Fall der sozialistisch-belgischen Gebäudekomplexe ein interessanter gestalterischer Gegensatz; speziell im Fall des Bienenwabengebäudes …

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thoreauvian ::: Mohn & Korn; & Grillen

»Man öffnet seine beide Ohren dem unsichtbaren, ununterbrochenen Chor und fragt sich, ob nicht die Erde selbst die ganze Zeit über singt.«

(Henry D. Thoreau, Tagebuch I)

… zirp zirp zirp

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Traumthesen ::: geduldeter Wahnsinn

»Jackie wachte verwirrt auf, wie üblich. Schlaf ist verwirrend. Träume sind rätselhaft. Die Idee des Übergangs von einer vermeintlichen Realität in eine andere ist geduldeter Wahnsinn.«

(Joseph Fink & Jeffrey Cranor, Willkommen in Night Vale)

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Wortgrund ::: Sammelsurium

Das niederdeutsche sammelsur bedeutet so viel wie «saures Gericht aus gesammelten Speiseresten« und wurde ab dem 18. Jhd nur noch mit abfälligen Unterton für «ekelhafte Gemüsemischungen« (!) verwendet, wie ich soeben nachgelesen habe. Ich bin froh dass sich die Bedeutung des Wortes nochmals gewandelt hat, so dass es nun für alles unsystematisch Gesammelte Verwendung finden kann. Bei -ium handelt es sich um ein typisches scheingelehrtes (!) Suffix das hauptsächlich bei norddeutschen Studenten Verbreitung fand. [wikipedia]

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PGI | Zitatsammlung über den homo scolasticus

ein Zitat mit Selbsterkennungszauber:

»Keine Wissenschaftler, wie wir sie heute definieren würden, sondern zum wissenschaftlichen Ideal Beitragende.«

(Neal Stephenson, Amalthea)

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PGI Expeditionsbericht & Trivialnotizen | España del Norte | 18. bis 28. September

Keine Postkarten! Keine Bilder.

Al Norte

In Serpentinen umwaldet bis auf 2000 Meter und wieder hinunter, durch mehrere kleinere Siedlungen mit ausgeprägt typisch anmutender Holzbauweise hindurch. Institutsmitglieder bekunden übereinstimmend sich gefühlt in Österreich zu befinden. Dann durch die karge (Un)ödnis der gelbroten Erde, verpuffte Immobilienblasen, hie und da ein vergessenes oder wiederaufgeforstetes Steineichen- (Quercus ilex) oder Pinienwäldchen (Pinus pinea). Doch vornehmlich geistzermürbende ununterbrochene Weite bis zum Horizont, wie ein in den Anfängen des Terraforming befindlicher Mars.

Diese sich in den roten Weiten bis zum Horizont beinahe selbst verlierende Landschaft der Meseta, bis zu den sie einfassenden Gebirgsauffaltungen, die schon Rudolf Staub kaum loszulassen schienen, man ist versucht zu sagen, wer sie einmal erlebt, der will sie verstehen.

Und so nimmt es kaum Wunder dass in Folge auch im Institut Nachforschungen nicht ausblieben, die zum einen eben jenes ergreifende Epos Rudolf Staubs über die Geologie Spaniens zu Tage förderten.

Aufs Wesentliche reduziert scheint die Landschaft aus zwei Komponenten zu bestehen. Der roten Erde und den umgebenden Gebirgen. Da zu den Gebirgen kaum etwas den Ausführungen Herrn Staubs Hinreichendes ergänzt werden kann, sei hier nur auf den zweiten wesentlichen Bestandteil kurz eingegangen. Der berückende und bezaubernde marsianische Rotton der Terra Rossa gehört, wie zuallererst festgestellt werden muss, und wie in der Wissensbibliothek Wikipedia auch klar nachzulesen ist, zu den Terrestrischen Böden! Der Rotton ist wahlweise oder kombiniert durch aszendente, autochthone oder allochthon-aeolische Vorgänge entstanden. Das kapillare nach oben »sickern« von Eisen- und Aluminiumhydroxid aus dem Gesteinsuntergrund, das Auswaschen von Carbonaten aus dem Ausgangsgestein und dem somit in Relation erhöhten verbleibenden Eisengehalt (beides im Tertiär vor maximal 15. Mio Jahren angesiedelt), oder, noch jünger! Durch eine größere Menge aeolisch übertragenen roten mineralischen Staubs aus der Sahara- und Sahel-Region vor etwa 12 000 bis 25 000 Jahren. Die Einzelheiten dieser Umlagerung mehrerer Tonnen Staubs bleiben hingegen ungeklärt. Normales Windverhalten und viel Zeit? Zyklone? Ein Agens aus dem Weltraum möchte daher an dieser Stelle und unter dem Einfluss von Neal Stephensons Amalthea nicht vollends ausgeschlossen werden.

Später endlich wieder Berge am Horizont, und dann durch Tunnel hindurch und es wird grüner und grüner und humider und es wird Meer.

Im Autó! bricht sich die psychische Anspannung der Institutsmitglieder zwischen Roadkrankheit, Ödnis der Landschaft, Dauer der Autofahrt, lalaa und Autó!-Ausrufen in Form von Wahnsinn ihren Weg zu spontanen mehrunstimmigen Gesangs, Jaul, Mäh- und Muhtönen in sich übereinandertürmenden Crescendi.

An dieser Stelle sei angemerkt dass das vom jüngsten Expeditionsmitglied zu dieser Zeit wohl spontan komponierte Meisterwerk »ba ba baaa!« gerade aufgrund seiner berückenden Einfachheit eine erstaunlich langanhaltende Wirkmacht besitzt.

Und dann, angekommen. Strand mit Sand und Felsen vulkanischen Ursprungs oder auch nur kalkgetufft, unschwer auch für Laien zu erkennen, das eine oder eben das andere. Fischluft, Wind, … und immer noch Sonne. Nächtlicher Ausflug zum Meer. Es ist barfußwarm, wir existieren im Rauschen der Wellen, der wohltuenden Stille, und dem über uns gespannten Sternenhimmel. Auch ruhelos forschend und notierender Geist verstummt hin und wieder archaisch gebannt in Ehrfurcht wenn er am Meer steht und in diesen kleinen Ausschnitt der unvorstellbar gewaltigen H2O-Masse blickt, von der er weiß dass sie sich über den ganzen Globus spannt.

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PGI Expeditionsbericht & Trivialnotizen | España del Norte | 18. bis 28. September

Keine Postkarten! Keine Bilder.

In den Bergen

Nach dem Abend auf dem temporären Anwesen des Dons (ein Willkommensschild wies uns den Weg) werden wir von unserer Unterkunft in Twin-Peaks-Hotel-Atmosphäre überrascht. Blockhütten, überall Nadelbäume, und diese Stille! Diese hervorragende Stille!

Der sonnige Morgen wird von spanischen Vögeln vor dem Fenster betrillert. Im Baum erspäht und erkannt werden beispielsweise Blaumeisen (el herrerillo común; Cyanistes caeruleus, Syn. Parus caeruleus) mit ausgeprägt spanischem Akzent. Ein mit tieflangem Aufseufzen jaulender Vogel wird nur im Wegfliegen gesehen und verbleibt bis zur Abreise unidentifiziert. Sein volltönend pfeifender Ton ist nur vereinzelt über die Hecken zu hören, was eine Sichtung verhindert. Nachdem ich nun wieder zuhause das komplette Vogelstimmenbuch durchhört habe, kommen einzelne Grünspechtrufe dem Klang am nächsten, auch wenn der Abstand der Rufe zueinander viel vereinzelter war.

Tagsüber Spaziergänge über das Anwesen. Auch schon auf dem Weg dorthin, ein sich Sattsehen an der zwar bekannten aber doch ungewohnten Botanik. Trockenheit und doch natürliches Grün, bodenbedeckende krautige Gewächse erinnern im geriebenen Duft an Wermut. Im Wechsel dazu das bewässerte Grün des Anwesens. Eidechsen. Nadelbäume, die Gerüche mediterran trotz der bergigen Höhe. Beim Erwerb des morgigen Abendessens freudige Erinnerungen an Polen im Dorfladen. Nachts Fledermäuse im wackeligem Flug und zahlreich besternter Himmel. Ein wunderbarer Tag im Freien umgeben von Freunden geht zu Ende. Und doch.

Al Norte! Ich denke das gesamte Institut hält es nicht mehr lange hier, Mittag am Pool hin oder her, wir müssen nach Norden!

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PGI Expeditionsbericht & Trivialnotizen | España del Norte | 18. bis 28. September

Keine Postkarten! Keine Bilder.

Fliegen & Aussichten

Noch eine Stunde Flug bis Madrid. Beim Start ein paar schwebende Momente zwischen den Wolken. Unter uns eine Schicht, darüber ebenso, und in einer Sphäre mit uns ein hellblaues Himmelband. Dann darüber hinweg. Die Welt hier oben wie eine endlose Weite von Badeschaum, hin und wieder eine kleine Lücke, in einer Art Flussformation, durch die hindurch Solarflächen silbern aufleuchten. Wolkenklassifikationsnamen treiben durch meinen Kopf. Kumulus, Strato, Nimbus … diese Aussicht. Und dann sind die Wolken wie ein arktisches Eismeer, voller Schollen, aufgehäuft, Plateaus über die man vermeint gehen zu können. Und die alte Frage, sie kommt wieder. Hier im Himmel, so wie Kindertage ihn sich vorstellen. Wie hoch fliegen Seelen? … Jetzt das Meer. Gold gleißend glatt im voranstehenden Sonnenlicht. Der Kollege Institutsleiter recherchiert im Geiste die geographischen Begebenheiten möglicher Flugrouten und folgert: es geht Frankreichs Westküste (genauer gesagt: Aquitanien) hinab. Vor Madrid, eine wie terrageformte, bizarre Landschaft, mit wenigen funkelnden Stauseen gesprenkelt. Von oben sieht sie aus wie ein kubistisches Mosaik in ockerfarbenen Tönen, wenige Feldflächen davon sind mit vereinzelt in Reihe stehenden Bäumen bestückt. Schraffuren und Muster. Die Landschaft mit sanften Wölbungen die in planierte Felder übergehen wirkt wie modelliert … und im Hintergrund ist noch immer das Gebirge im Norden zu sehen. Diese in ihrer Kargheit faszinierende Landschaft werden wir nach Norden durchqueren.

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PGI | Zitatsammlung über das Sammeln, #2

»Mr. Nostalgia liebte die Dinge, die er verkaufte, aber er machte sich keine Illusionen was ihren Wert betraf. Sie waren nur das wert, was man für sie bezahlte; wie viel man verloren zu haben meinte, das sie wiederzubringen versprachen. Ihr Wert war an die persönliche Empfindung von Vollständigkeit, von seelischer Vollkommenheit gekoppelt, die einen überflutete wenn man endlich die letzte Lücke auf der Liste abhakte.«

(Michael Chabon, Telegraph Avenue)

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