Kristofer Åström and the Rainaways ::: Mattias Hellberg | 28.03.12 | Objekt 5, Halle

Die romanische Straße hat uns nach nur einwöchiger Abwesenheit zufällig wieder. Nach Naumburg sind wir nun in Halle, und beschlendern ein bisschen die Umgebung des Objekt 5 bis wir zum Kristofer Åström-Konzertabend eingelassen werden, vorbei an Burg Giebichenstein bis zur Saale. Es ist ein ruhiges Schlendern, da die uns umtösenden Motorengeräusche der prachtbreit neben uns verlaufenden Straße sowohl jedes vernünftige Gespräch verhindern, als auch die Unvernünftigen, die zusammen mit Herrn G. mindestens ebenso gerne zelebriert werden, erschweren. Wir sind hier. Der Abend lau. Das Konzert beginnt bald. Die Welt wirkt harmonisch und friedlich und wir sind an dem Ort an dem wir in diesem Moment sein wollen. Das war noch vor wenigen Stunden ungewiß.

Die Karten sind laut Internetzanzeige einen Tag vorher schon beinahe ausverkauft. Verzweiflung. Umsonst anzureisen, die tagsüber andauernde Unsicherheit ob wir zum Konzert eingelassen werden, nicht auszuhalten. Ein Panikanruf im Objekt 5, mit dem Ziel den genauen Kartenstand zu erfragen um danach Wahrscheinlichkeitsberechnungen mit hoffentlich beruhigendem Ergebnis durchzuführen, wird mit dem freimütigem Angebot erwiedert, für anreisende Leipziger natürlich eine telefonische Reservierung vorzunehmen. Ehrensache. Halle und Leipzig, die waren sich ja seit jeher. Aufs Engste. Nie ein arges Wort. Sowohl das Objekt 5, alle Hallenser und ganz Halle sind für nun an auf immer ins Herz geschlossen.

Das Objekt 5 wurde uns schon vorher als feiner Club mit gemütlichem Konzertambiente geschildert. Die äußere Fachwerkfassade führt im verwinkelten Inneren in halbverputzen Backsteincharme weiter. Der Raum gewinnt nur durch seine Höhe an Weite, ist ansonsten aber recht winzig. Oben trifft der Blick auf eine schmal rundum verlaufende Fensterfront, und gleitet an den von dort noch weiter nach oben laufenden Dachziegeln entlang, bis er in freien Himmel abrutscht.

Noch ist der kleine Raum beinahe leer, und an einer Seite lockt eine Barhockergruppe. Natürlich will man nicht während des Konzerts sitzen, doch bis es beginnt, um dann umso frischer zu sein, könnte man diese Sitzgelegenheiten ja nutzen.

Mattias Hellberg. Der Mann ist so gut bei außerordentlicher Stimme, dass man eine Weile der Gewöhnung braucht, um festzustellen dass auch der Gebrauch aller anderen Musikinstrumente bei ihm und dem von Kristofer Åström ausgeliehenem Tastenlenker vom feinsten ist und einige interessante Schlenker aufweist, die das Zuhören nie langweilig werden lassen.

In fröhlicher dylanäischer Weise sitzt er mit Gitarre und Mundharmonika auf einem Hocker und beschwört die skandinavische Lagerfeuerweite. Das allein dazugesellte Tasteninstrument ungewöhnlich, doch treffend, und für die ein oder andere nicht oft gehörte Klanggebung verantwortlich, wenn es beinahe verrumpelt saloonisch oder klassisch jahrhundertealt erklingt.

Kristofer Åström und seine norwegischen Gesellen bevölkern die Bühne in bester Laune, die das Bewerfen der Zuschauer mit flying T-Shirts beinhaltet, und mit offensichtlich nur guten Erinnerungen an Halle. Sein Gesang ist im Ansatz tiefer und voller als in der Erinnerung, schleicht sich aber für besondere seelische Zustände in flüsternd höhere Gefilde, die den verhaltenen, poetischen und weisen Zauber und die innere Bewegung seiner Texte und Musik ausmachen, und auf diesen Seiten zum Konzert 2009 schon so weitausholend beschrieben wurden, dass man fast nichts mehr hinzufügen möchte.

Die Leipziger sitzen immer noch auf ihren Hockern, wenn die etwas höhere Einfassung der kreisrunden Sitzfläche auch langsam erhebliche Beinverkrampfungen durch Abdruck der Blutzufuhr verursacht. Unmöglich mit diesen Gebrechen jetzt aufzustehen. Obendrein ist für kleinere Leipziger die Sicht unbequem auf einem Barhocker sitzend natürlich besser als auf den Beinen stehend. Wohltuend ist es da von den diversen Alters- und Krankheitsschwächen der Bandmitglieder auf Tour erzählt zu bekommen, anheimelnd, verbindend. Rücken, und Erkältung und alles. Gerade heute, seien sie alle wieder einigermaßen fit geworden.

Es gibt wieder viel Northern Blues und Sinkadus, wie beim letzten Konzert, und natürlich das neue Album, Wechsel zwischen tieffühlenden Balladen und Stücken die stärkeres Beinwippen bis leichtes Herumhüpfen unumgänglich machen. Der Anfang wirkt nüchtern klar bis beinahe sakral. Eine anfangs allein von Kristofer vorgetragene Melodie wird gegen Ende von seiner Band aufgefangen, mitgetragen, in sehr weichem Gesang der sich wie ein Band um alles legt. Ein betörender Effekt, wie sie da alle wie Barden auf der Bühne stehen und hübsch im Einklang singen. Etwas das viele der Lieder begleitet, unter anderem das weite Queen of Sorrow, aber die Existenz plötzlicher Lärmwolken die über seine Geschichten gekonnt hinwegfliegen nicht ausschließt.

Nach dem Abend und mehrmaligem Nachhören des neuen Albums From Eagle to Sparrow bleibt das Verstehen, dass hier jemand mit herausragendem Talent, Texte mit Musik zu umgeben die den Text weiter tragen als bloße Worte es könnten, seine innersten Gedankengründe auf eine Weise teilt, sie schenkt, die ganz und gar etwas Besonderes ist. Dabei unspektakulär. Schlicht. Keine Zeile, die nicht aus ehrlicher Überzeugung, Erfahrung und Wissen klingt. Es ist Zuhören. Musik die gut tut. Und lang haften bleibt. Unabhängig ob es um die großen Gedanken oder um die kleinen Erwägungen des Lebens geht.

Only the strong survive. But I know they will surely die.
But I know that we all will die.
(Queen of Sorrow)

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