Digger Barnes & Band on the Diamond Road Show ::: 3.01.15 | Schauspiel Leipzig

There is this guy named Digger. He is coming to our city from time to time for years now, playing his songs. This time he brought some more of his friends along, and the good ole songs played by a whole band were as well a new experience as they were as fine as ever. And the magic imaging machine’s image theater was of the same mesmeric bright dazzle …

Im Institut um Dame C. abzuholen. Während Dame C. die Zubettzeremonie des Institutsnachwuchses vollzieht, raisonniert der Institutsleiter sich in der neu geschaffenen Sitzecke zurücklehnend und an die Decke blickend besonnen bis verträumt über sein neuestes PGI-Vorhaben. In Einstimmung und Anklang auf den zu erwartenden Abend könnte man von der Wild Moving Curtains Show sprechen. Die Umsetzung sicherlich ein Kinderspiel. Nichts weiter als eine an Modelleisenbahnschienen erinnernde Installation von kreisrund, oval und sich kreuzend verlaufenden Schienen an der Decke, etwa 20 Vorhangbahnen und ausgeklügelte Steuerungselektronik wären vonnöten. Um den Raum wahlweise in das klaustrophobierende Vorhangzimmer der roten Hütte, ein Versuchslabor für sozioneuralpsychotische Studien, oder einfach in die groovigste Wohnlandschaft seit austianischen Powerzeiten zu verwandeln.

Es ist beinahe ein Jammer aufbrechen zu müssen, und nicht sofort mit der Arbeit beginnen zu können, doch die Diamond Road Show ist in der Stadt. Nur einen Abend. Diesmal nicht mehr im UT Connewitz, sondern im Schauspiel Leipzig, warum, davon kündet etwas später der beinahe bis auf den letzten Sitzplatz belagerte Saal. Die Dame C. erfassende leichte Unruhe als ich ihr später von den Plänen des Institutsleiters berichte ist nicht unnachvollziehbar.

Während der einstimmenden Lesung kann bereits das Instrumentarium auf der Bühne bewundert werden. Diverse Gitarren und Bässe, ein Violoncello, ein Flügel, ein e-Piano, ganz rechts ein wohlfeinkleines hölzernes Tastengestell – eine Wurlitzer? – ein Schlagzeug, Diggers Wirkstätte mit der zu pedalierenden Transparenztrommel, und leider sehr schlecht einsehbar: das Vibraphon. Ganz rechts auf einem Tischchen die gedeckten Bauteile der Magic Machine.

Wiederholt (I, II, III, IV) wurde über die schlichte Schönheit von Text und Musik alles gesagt, was man nur an freudiger bis geruhsam ekstatischer Bewunderung sagen kann. Wie die Musik in das tief in sich selbst ruhende Innere hineinfließt und alles anfüllt. Und sich wohl von da ausgehend unweigerlich in die Earworm-Zentren des Gehirns einnistet.
Der Show in ihrer Urform immer und immer wieder zu folgen, wann immer die Truckräder der Schausteller durch die Stadt rollen, wäre nie langweilig, sondern immer ein Fest. Doch die Diamond Road Show wäre nicht die Diamond Road Show, wenn sie sich nicht von Jahr zu Jahr leicht wandeln würde.

So gibt es nicht nur die Songs eines neuen Albums im Gepäck, sondern auch die Altbekannten erscheinen durch das Neuarrangement für eine Fünferkombo so frisch wie ein zu Wettbewerbszwecken gebackener Blaubeerkuchen, wenn das Violincello sich in Square Dance-Wirbeln ergeht, sich dem vertrauten Gesang Diggers die hauchzarte Stimme von Emily Barker hinzugesellt, und vermutlich hauptsächlich durch ihre Präsenz der Eindruck entsteht die Zeiten des Keep on Trucking sind nun in ein behagliches Settlement geflossen, und zeigen so eine neue Facette der amerikana-Traumwelt. Jede einzelne in Text, Musik und durch die Magic Machine in Bild gebannte Geschichte wird dabei vom Geräusch eines neben dem Motel vorbeiziehenden Highways umspült.

Die einfachen und klaren Linien des Gesangs und der Gitarre werden in Arrangements eingefügt, in denen vor allem das von Mosquito Hopkins a.k.a Friedrich Paravicini bespielte Piano, oder abwechselnd das Vibraphon, keine bloße Begleitung ist, sondern vollkommen eigenständig solieren, sich zu Koloraturen aufschwingen oder in einzeln gesetzten Schlägen Akzente setzen, und so die Aufmerksamkeit in Spannung halten. In den schlichten Songs geschehen mit einem Mal hochkomplexe Dinge vor denen man staunend lauscht, was nicht zuletzt natürlich vor allem für die neuen Songs gilt.

15 Years zeigt wohl hauptsächlich durch die xylophonierenden Klänge ganz neue Klangnuancen, man vermeint sich zurückversetzt zum lynchappealen Erlebnis als Bohren im Schauspiel aufgetreten sind. Ein immer weiteres Spektrum des weiten Kontinents in räumlicher und zeitlicher Ausdehnung wird abgedeckt. Es scheint fast als würde sich die anfangs nur mit wenigen Pinselstrichen gezeichnete Welt der Diamond Road Show immer weiter ausdehnen, größer, lebendiger und bevölkerter werden, im pratchettschen Sinne steht sie wohl kurz davor in die Realität einzubrechen.

Doch die dramaturgischste Veränderung wird am ersten Lied des ersten Albums vollführt. Everybody Run. Zu über die Leinwand von der Magic Machine schlierendem Regen wird die Atmosphäre gewitterdicht durchdrungen. Nie klang die Diamond Road Show düsterer, metallene Sturmböen wehen aus den gestrichenen Saiten von Johnny Lateblooms verzerrten Kontrabass. Emily Baker steht komplexe Feedbacks erzeugend mit der e-Gitarre vor den Boxen, doch der ganze Sturm bleibt leise genug, mehr wie eine Ahnung, trotzdem, gerade deswegen, von aufreibender Wirkung, um den stark verlangsamt wie in Zeitlupe gesungenen Aufruf Everybody Run nicht zu übertönen. Nie wurde ein Gewitter zarter inszeniert. Nie war Digger Barnes dem Postrock so nah.

Zwei Zugaben werden zuvorkommend nach nur sehr kurzen Applaus eilend auf die Bühne sprintend gegeben. Die letzte Zugabe verzückt durch ein rares Schrappgerät, das einmal angeschlagen ein herunterrasselndes schrapperndes Geräusch von sich gibt.

Dem Ausgang und dem Devotionalienstand zustrebend wird in der Ecke der Magic Machine eine große Menge Bewunderer aus dem Augenwinkel wahrgenommen, die dem Zauber durch Preisgabe des Geheimnisses huldigen möchten.

Nach gerade abgeschlossener Lektüre der Geschichte der Butch Meier Band ist es ein kaum zu bewältigendes Kunststück die Figur des gerade auftretenden Digger Barnes auf der Bühne mit den Butch Meier Shows in Deckung zu bringen. Zwar war er dort als Man of Mystery dotiert. Doch wer hätte etwas wie die Diamond Road Show wohl damals erahnen können. Die Bilder der wilden Fleisch-Shows die sich ohne Mühe um das V-Label bewerben hätten können, bei denen aus einem alten Feuerlöscher unerwartet Senf in das Publikum geschossen wurde, mit Mister Digger Barnes an seinem als Dönerspieß verkleidetem Bass unterlagern flirrend wie eine verborgene, verdrängte Realität das stilvolle und dezente Geschehen auf der Bühne. Und in »Oil-stained Hank« Hank Holliday zu erkennen … Every Story True.

noch Kommentarlos
Kommentar schreiben:

Der Kommentar muss möglicherweise erst freigeschaltet werden, bevor er hier erscheint ...