»[...] was auch in der osteuropäischen Musik sehr starkt verwurzelt ist,
ist diese Melancholie, die durchaus was fröhliches hat,
aber doch eher melancholisch und traurig ist.« Bertholinis in detector.fm-Interview am Konzerttag
… der Erde, Todor, Oskár, Ferenc, Gábor, János, László, Lobos, Zoltán, Jószef – The Great Bertholinis – Musik die Freude macht
Es gibt Zeiten und Erlebnisse die sind voll des Glücks und der glücklichen Umstände. Nachdem mir vor zwei Jahren von einer Erkältung besiegt der Konzertbesuch versagt blieb, und letzten Herbst ein Brand das Folgekonzert verhinderte, finden wir uns nun in der weiträumigen ersten Reihe vor der Bühne wieder. Alles fügt sich. Und so kann ich sehen was ich höre, und was ich denke zu sehen, als die Bertholinis vor ungeduldiger Spielfreude sichtlich kribbelig die Bühne betreten.
Wir haben den Schlüssel zu einer Wohnung in Friedrichshain. Authorisiert und mit Blumengießauftrag während der neuseeländischen Abwesenheit des eigentlichen Bewohners. Das Ostkreuz ist zugig wie eh. Wie 2003. Auf der Boxhagener Straße überholen wir bereits den dritten Boxer, der in seinem eigentümlich hopsenden Gang Gassi geführt wird. Es ist wieder Winter. Und wir sind wieder in Berlin.
Auf dem Weg zum Abendessen leitet uns das Karma der Tradition — manche würden es Unfähigkeit sich in von nordwest nach südost laufenden Straßen nach Süden zu halten nennen — genau vor das Intim in dem wir vor Jahren anlässlich eines Kaizers Orchestra-Konzertes speisten, und das wir aus einem Gefühl der Aussichtslosigkeit im Kneipenhaufen Friedrichshains nicht zu suchen wagten. Auf dem Weg dorthin offenbaren sich schrecklos leere Räume die irgendwie noch in der Renovierung zu stehen scheinen als der Stil aller Konsumläden Friedrichshains — Friseur, Blumen-, Platten-, Antiquitäten-, Kleidungsladen oder Galerien. Im gleichfalls uniformen Kampf um eine urban kreative Ausstrahlung des Stadtteils gegen die Flut individualloser Schnellrestaurants, die Bilder von reprotechnisch nicht optimal aufbereitetem Essen in neonleuchtenden Schildern ausstellen.
Astra. Punkt 20 Uhr. Wartende Menschen über das ganze Gelände bis zur Straße. Säuberlich in einer Reihe. Godspeed hören prägt und adelt die Seele, ein geklumptes Drängeln wäre vor so einem Konzert undenkbar, zumindest ist man froh Teil einer 2000 Kopf zählenden Menge zu sein, die so empfindet. Auch wenn sie in eine Halle begrenzten Umfangs gesteckt nicht anders kann als nervend eng nebeneinander zu stehen. Und so steht sie, in Dunkelheit, lebenlang, in einer zeitlos wartenden Situation die den Geist abstellt, als etwas einsetzt …
Im Pilot. Wir sitzen und warten auf Team Göttingen. Herr Walte mit Blick zum Eingang sieht irgendwann auf und über sein Gesicht läuft freudiges Erkennen. Wurde ja auch Zeit dass die Göttinger endlich kommen. Doch nicht Wohlbekannte sondern das Erscheinen von Mr. Edwards an der Tafelrunde schräg hinter uns, hat das Mienenspiel des Erkennens in ihm ausgelöst. Der Meister. Sitzt nicht weit von uns. Ganz neben dem taktischen Vorteil — verläßt er das Café, so sollten auch wir unsere Plätze im Centraltheater aufsuchen — ist dies natürlich vor allem von pilgerndem Wert. Die Aura des Meisters in dieser alltäglichen Umgebung. Rotes Tuch um die Stirn, kantiges Gesicht, wuselwirre Haarstränen, ein schlaksiges Bild bis zu den Cowboystiefeln.
Etwas verunsichert stelle ich etwas später fest, dass er doch tatsächlich ißt und trinkt, gemütlich lacht und mit seinen Tischgefährten spaßt, als wäre er ein gewöhnlicher Sterblicher. Beschließe aber sogleich dieses Wissen abzustoßen, um der Welt wieder ihre Ordnung zu geben. Auf derartige Halluzinationen sollte man nichts geben.
25. October 10
· Autor: admini · Kategorie: Konzerte
Wiederholt gediegenes Konzert mit Tasteninstrument, diversen Saiteninstrumenten, Rhythmusgebern und tremolierender Blockflöte, vor zurückhaltend tobendem Publikum.
24. October 10
· Autor: admini · Kategorie: Konzerte
Wie hineingespült unser Weg, auf einer Woge vom italienischem System-Essen mit Sandrina und Araldo in die Veranstaltungstonne treibend, einer spanienaffin Liednamen vergebenden Band entgegen. Vor der schwer verriegelnden Pforte zur Tonne kurz vom anschwappenden Lärm abprallend. Kurzes Zögern. Hinein.
Das Konzert ist schon lange da, so wie man im menschlichen Leben — selbst bei über Einzelleben hinausgreifender Sicht — auch nur selten an ein Meer kommt das gerade erst glucksend vollläuft. Es ist laut. Der Geräuschanblick offenkundig zu weit, endlos bis zum Horizont für den ersten Moment. Man muss sich erst fassen. Es ist … laut.
Der Hund Emil. Er ist von erdigem Braun. Braunbärenbraun. Zottig, wuschelig. Vom Typ her ein bisschen wie einer dieser goldenen Apportierhunde, aber nicht so geleckt glänzend. Er ist vom wirklichen Leben. Naturbursche. Das Fell so dicht pelzig dass sein Gesicht konturlos bleibt. Das ist Hund Emil und als im Hof des Conne Island bei Draußensitztemperatur eine Tischtennisplatte in Beschlag genommen wird wetzt er bergeistert den Ball fixierend los.
Gestern konzertlings entdeckt und erworben. Die neueste Technologie auf dem Tonträgermarkt. Sie nennen es Kasette … ein gutes Wort für die Aufbewahrung von Schmuckstücken.
Besucht man einen Ort zum zweiten Mal zwingen an die eigene Person gebundene, das heißt nicht sehr starke, Mem-Überbleibsel der ersten Reise Elementen der zweiten Reise ihren Stempel auf. Man muss sich das so vorstellen dass, nachdem man selbst die Stadt verlassen hatte, die kleinen Meme irrlichternd durch die Gassen der Stadt stromerten, doch aus Anhänglichkeit oder Schüchternheit sich an keine andere Person anheften, sich nicht verbreiten konnten. So waren sie gezwungen des Leben eines Gassen-Mems zu führen. Ergreifend und es möchte einem das Herz zerreißen, wenn man daran denkt wieviele noch junge Meme man allein auf sich gestellt zurückläßt. Jederzeit. Immerzu.
Bei Entdeckung dass Motorpsycho aus Trondheim sind, schrieb ich den Teilnehmern meines Norsk-Kurses naturlig sofort eine Empfehlung, war dabei aber der Musik Motorpsychos so gegenwärtig, dass ich diese nicht ohne eine Warnung versehen absendete. Men forsiktig, det er høyt musikken! Es steht allerdings zu bezweifeln dass der Lärmbegriff den ich beim Absenden der E-Post im Sinn hatte, dem wahren Wesen von Lärm nahe kam. Dem wahren Wesen von Lärm wie ich es jetzt kenne …
Crippled Black Phoenix sind gekommen. Sie haben angekündigt dass sie kommen, und sie sind gekommen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Das war schon zu oft anders. Ein Tourplan nach dem Anderen durch widrige Schicksalsmacht vereitelt. Schmerz und Mitgefühl für die Band in der Seele, bei jedem Aufruf ob Fans noch andere Clubs in der Stadt kennen würden, wenn wieder ein gebuchter Auftritt aus unbekannten Gründen ins Nichts splitterte. Doch gestern ist es gelungen. Crippled Black Phoenix waren in Leipzig. Nicht als Hauptband — aber der Bann wurde gebrochen. Die Zukunft strahlt verheißungsvoll für mehr.
Das UT präsentiert sich diesmal mit wenigen noch nicht vollständig weggeräumten Kino-klapp-Polster-Reihen, die kurzweiliges Daniedersinken und Wegdämmern zwischen den Auftritten der 3 Bands ermöglichen, zu denen man sich schon frühabends aufmachen musste. Das Konzertvolk füllt das UT zu einer für das gen Bühne sehende Auge optimalen, lockeren Dichte, und wir finden uns im nicht genau festzulegenden Raumbereich Reihe 1–3 wieder. In Augenhöhe mit der Greavesschen Gitarre, in unmittelbarer Weite vor dem Mann der der Welt und an diesem Abend dem UT Connewitz Crippled Black Phoenix schenkt, tätowierte Ruhe und Einklang mit seinem Instrument ausstrahlt, dabei kein Bandleader, sondern ein Erster unter Gleichen. Neben der mit dem elektronischen Tasteninstrument tief verbundenen Dame. Dem in sich sinnendem Sänger. Den durch kurzweiliges Geplänkel und Geblödel in Erscheinung tretenden Bassisten, der knapp vor dem in weitem Hintergrund verschwindenen Schlagzeug steht. Neben dem klein wirkenden Gitarristen Nummer zwei, der durch eine metallene Fingerhülse am kleinen Finger glänzt. Und neben der Cellistin die ganz außen Klassik ausstrahlt. Endtime Ballads betiteln sie ihre Musik auf myspace. Und stehen in dieser Endzeit-Kulisse, auf der Bühne des UT.
Gleich zu Anfang. Die Gitarre vor Augen und den Klang so nah vor Ohren schweben Erinnerungen an das erste Blackmail-Konzert heran. Die von der Gitarre entfesselten Töne schweben direkt auf einen zu und wickeln ein wie damals. Wenn aus den ganzen rauhen Einzelkomponenten einer E-Gitarre im Zusammenklang dieser harmonische und weiche Gesamtton entsteht. Satt und laut und Effekt.
Es ist Sommer. Jahrmarkt. Trubel, Zuckerwatte. Wildes Geschrei aus Fahrgeschäften. Da wo gerade der Jahrmarkt lebt, existiert normalerweise nichts als eine wie geflickt spärlich betonierte Brachfläche in der Stadt. Der Jahrmarkt ist darüber gesetzt, aufgeklebt über die so stumpfe Realität.
Der Jahrmarkt liegt irgendwo in einer Stadt an der Nordsee. Diese Gewissheit zieht man aus dem nautischen Klang der Instrumente die von irgendwoher erklingen. Von wo? Da steht ein Kinderkarussell. Ein motorisiertes Ringelreiten. Und darauf sitzen wir alle, und das Karussell dreht sich. Und es ist bunt. Und es beschleunigt auf Humppa-Geschwindigkeit …
Lend me your eyes I can change what you see
But your soul you must keep, totally free
(Har har, har har, har har, har har)
In these bodies we will live, in these bodies we will die
Where you invest your love, you invest your life
(Mumford & Sons, Awake my soul)
Nach einem gemütlichen Abendessen irgendwo in der Simon-Dach-Straße trennen sich gefährtliche Wege von Frl. Gründl (Name geändert, doch nicht von mir). Tags darauf werde ich in einem Buch erfahren, dass gründeln die Tätigkeit ist, der Enten in Teichen müßig nachgehen. Doch wie ich dieses Wissen in Beziehung setzen soll, ist mir noch ziemlich rätselhaft. Wir, 2 Kartenbesitzende werden von Frl. Gründer, einer Kartenunbesitzenden noch Richtung Astra gebracht. Eine zufällige Ballung der Wortmatrix, die deren Gitterstruktur sichtbar werden läßt.
15. March 10
· Autor: admini · Kategorie: Konzerte
Theatreske Umgebung wirkt unweigerlich auf Stimmung, Auftritt und Wahrnehmung einer Band ein. Das ist in Leipzig mit UT Connewitz und Schaubühne Lindenfels nichts Unbekanntes.
Doch Novum ist wenn der Ort nicht wie eine verfallene Erinnerung ausstrahlt, sondern in Gegenwart glänzt. Noch selbst lebt und höchstens ein bisschen seinem Zweck verfremdet. Das Erklimmen der breiten Treppen hoch zu den Rängen. Rotbezogene Bestuhlung. Leuchter. Der Blick zur Bühne geht nach unten. Alles ausgebreitet, vorbereitet. Und das Endpausenklingeln. Ein Gefühl von Größe, Erwartung schwebt in jedem Luftpartikel. Man sitzt, das Herz steht.
Keine Band könnte mehr genau hierher gehören als Get Well Soon. Wenige vielleicht genau so gut, aber keine besser.
21. February 10
· Autor: admini · Kategorie: Konzerte
vielleicht sehen wir uns bald wieder auf dem Musikkanal,
da singen wir die Lieder halt zweidimensional
(Budzillus, Das Ende kommt zum Schluss)
Das Schicksal 2.0 beschenkt mit einem ganz und gar wundervollen und grandiosem Konzerterlebnis. Wer es schafft einem Lied wie Rain Dogs aus genialer Hand eine daseinsberechtigte, da eigenständig wundersam tief grölende doch nicht bellende Cover Version einzuhauchen, eine Version die wie eine vage Erinnerung am Gedächtnis klopft, verweht und umwunden wie ein Geschenk durch die Zeit, der hat mich gewonnen.